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Politik: Zwei Heilige auf Heimreise

Der Papst gibt Reliquien an Ostchristen zurück und entschuldigt sich für Plünderung von Konstantinopel

Als die Eroberer in Konstantinopel einfielen, blieb nicht einmal das Allerheiligste des Christentums verschont. Drei Tage lang plünderten die Soldaten der siegreichen Armee die Weltstadt am Bosporus, ermordeten tausende Christen und entweihten ihre heiligsten Stätten. In der Hagia Sophia, der größten Kirche der Christenheit, ließen sie eine Prostituierte auf dem Altar tanzen, bevor sie neben anderen Reliquien die Gebeine der Heiligen Johannes von Chrysostomos und Gregor von Nazianz davonschleppten. Nicht etwa die Türken waren das – die benahmen sich bei ihrem Einmarsch gut 250 Jahre später wesentlich zivilisierter. Nein, diesen Frevel gegen das orthodoxe Christentum begingen die römisch-katholischen Ritter des vierten Kreuzzugs bei ihrem Einfall in Konstantinopel im Jahr 1204. Genau 800 Jahre später will sich der Papst an diesem Samstag entschuldigen und die Gebeine der Heiligen zurückgeben.

Formell sind das orthodoxe Christentum und die römisch-katholische Kirche seit dem Jahr 1054 getrennt, als der Papst und der Patriarch von Konstantinopel sich gegenseitig exkommunizierten. Mit der Plünderung von Konstantinopel durch die Kreuzritter wurde der Bruch zur praktischen Realität, die bis heute andauert. Papst Johannes Paul II. hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Spaltung endlich zu überwinden. Die Ökumene – die Annäherung der verschiedenen christlichen Konfessionen – zählt zu den wichtigsten Themen seiner Amtszeit. In diesem Geiste entschuldigte er sich vor drei Jahren schon bei der griechisch-orthodoxen Kirche für die Sünden der Katholiken. Nun will der Papst den Patriarchen von Konstantinopel, das spirituelle Oberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen in aller Welt, um Vergebung bitten – und ihm die Gebeine seiner Vorgänger wiedergeben.

Dazu muss Patriarch Batholomäus I. nach Rom pilgern, denn nach Istanbul schafft es der 84-jährige Papst entgegen früheren Absichten nun doch nicht mehr. Patriarch Bartholomäus wird daher in den Vatikan kommen, wo die Gebeine seiner Amtsvorgänger Johannes von Chrysostomos (Patriarch von 398 bis 404) und Gregor von Nazianz (380/381) seit ihrem Raub aus Konstantinopel aufbewahrt werden. Die Gebeine sollen ihm am Samstagmorgen bei einer Zeremonie im Vatikan übergeben werden, bei der Johannes Paul II. auch noch einmal sein Bedauern über die Missetaten der Kreuzritter äußern dürfte. Eine vatikanische Abordnung, die von dem deutschen Kardinal Walter Kasper geleitet wird, begleitet den Patriarchen anschließend nach Istanbul zurück, wo die Reliquien im Patriarchat am Goldenen Horn ihre letzte Ruhe finden sollen.

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