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Politik: Zwei Herzen in der Brust

Wie ein Abgeordneter das Atomdilemma erlebt

Berlin - Für Tom Jürgens ist es kein leichter Tag. Er ist aus Hameln-Pyrmont, Niedersachsen, angereist. Das ist Trittin-Land, sein Landesverband. Aber Jürgens hat Probleme. „Ich kann die Argumentation schon nachvollziehen“, sagt Jürgens auf dem Grünen-Sonderparteitag zum Atomausstieg, „aber ich kann sie nicht teilen.“ Direkt vor seiner Haustür stehe das Akw Grohnde. „Wir Grüne haben uns auf den Ausstieg 2017 festgelegt, stimmen wir hier dem Ausstieg bis 2022 zu, läuft das Akw Grohnde mindestens vier Jahre länger – das kann ich bei mir vor Ort niemandem verkaufen“, sagt er. Aber er weiß, in was für einem Dilemma seine Partei steckt. Er ist selbst hin und her gerissen: „Es ist ja richtig, dass es positiv ist, jetzt rauszugehen und die ältesten Meiler auszuschalten.“ Trotzdem ist er nicht für die Pläne des Bundesvorstandes. „Wir können schneller aussteigen, als bis spätestens 2022.“ Er hat eine Sorge: Wenn die Betreiber mit ihrer Klage vor dem Verfassungsgericht recht bekämen, wäre alles obsolet. „Dann werden die Wähler fragen, wie konntet ihr das mitmachen – ihr seid doch die Experten. Es geht um Ehrlichkeit gegenüber dem Wähler.“ Die Parteispitze habe zu schnell Zustimmung signalisiert.

Dann redet Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele. Er spricht Jürgens aus der Seele. „Der ist immer noch der beste“, sagt Jürgens. Er strahlt, es ist Genugtuung, die sich auf sein Gesicht legt. Dann kommt Fraktionschefin Renate Künast. Sie wirbt für eine Zustimmung zum schwarz-gelben Ausstiegsplan. Jürgens klatscht kurz und schaut schon wieder in seine Parteitagsunterlagen, als der Rest noch jubelt. Am Ende stimmt der Parteitag für den Ausstieg bis 2022. Enttäuschung? „Nein. Es ist nicht das, was wir uns gewünscht haben, aber wir sind zufrieden – trotz allem.“ Christian Tretbar

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