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Politik: Zwei Jahre Kanzler Schröder: Hart in der Mitte

Das Erstaunliche an den zwei Jahren von Gerhard Schröder als Bundeskanzler ist die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Amt mit ihm identifiziert wird. Kein Kanzler vor ihm kam aus einer so unsicheren Ausgangsposition, keiner war auch so belastet mit einem zwiespältigen Profil.

Das Erstaunliche an den zwei Jahren von Gerhard Schröder als Bundeskanzler ist die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Amt mit ihm identifiziert wird. Kein Kanzler vor ihm kam aus einer so unsicheren Ausgangsposition, keiner war auch so belastet mit einem zwiespältigen Profil. In der politischen Öffentlichkeit definiert durch eine Menge wohl erworbener Vorurteile - vom Auto-Mann bis zum Kaschmir-Kanzler -, von der eigenen Partei nicht geliebt, hat ihn eigentlich nur der Ratschluss der niedersächsischen Wähler zum Kandidaten befördert. Nun, am Beginn der zweiten Hälfte seiner Regierung, ist er die dominierende Gestalt der deutschen Politik.

Die Verwandlung verdankt sich gewiss auch dem Wandel, den seine Regierung eingeleitet hat. Schröder ist nicht der deutsche Blair geworden, aber man muss ihm einräumen, dass er nach den groben Schnitzern der rot-grünen Anfangszeit wieder Bewegung in die Politik gebracht hat. Freilich ist der Fortschritt wieder einmal nicht so groß, wie er scheint. Der befreiende, inspirierende "Ruck", den die aufgeschlossenen Politik-Beobachter ersehnten, ist es nicht geworden. Die schwierigen Reformunternehmungen wie Renten und Gesundheit durchbrechen die verfilzte Verfassung des deutschen Sozialstaats nicht wirklich. Und für die Überrumpelungs-Aktion der Steuerreform, die noch am ehesten die Erneuerungs-Erwartungen einlöste, sind die Kosten noch abzustottern, die finanziellen und die politischen.

Am Ende verdankt sich Schröders Erfolg doch seiner "Performance", seinem Auftreten, allerdings in einem weiten Sinne, weit über die ihm zugedachte Figur des Medienkanzlers hinaus: als Meister einer Politik, die die Mitte als Machtinstrument und den Kompromiss als Waffe gebraucht. Das Feld dafür hat er sich in einer Manier freigeräumt, die einen Begriff von der Härte gibt, derer er fähig sein kann. Wie nebenbei hat er damit das Parteiensystem so aus der alten Lager-Fixierung heraus gekippt, dass, warte nur ein Weilchen, wieder fast alles möglich erscheint - sozialliberale Kombinationen im Westen, Annäherungen an die PDS im Osten. Es kann aber auch wieder eine rot-grüne Koalition geben - falls die Grünen überleben. So halten Taktiker ihre Karten bedeckt.

In verblüffender Weise hat Schröder es geschafft, dass die Bundesrepublik sich auch unter ihrem dritten sozialdemokratischen Kanzler als Kanzlerdemokratie präsentiert. Zumindest in Ansätzen wird man auch bereits von einem "System Schröder" sprechen können. Jedenfalls nutzt der Kanzler systematisch die Möglichkeiten der Konsens-Demokratie, treibt die Meliorations-Gräben zur Ausbreitung seiner Herrschaft weit hinein in die gegnerischen Milieus und sichert seine Terrain-Gewinne mit pragmatischer Vernunft ab. Vermutlich sieht so Politik auf Augenhöhe der Berliner Republik aus, was zunächst einmal heißt: auf der Höhe dessen, was von ihr bereits zu erkennen ist - ein Wechsel der Generationen, das Sich-Freischwimmen von der Vergangenheit, die Neigung zum Surfen in den Untiefen der Postmoderne mit dem Finger im Wind des Zeitgeistes. Die neue Hauptstadt bietet dafür das weitläufige, auf neu und größer getrimmte Spielfeld, das stimuliert.

Aber die Mediendemokratie, in der solche Politik reüssiert, lebt von der gewaltig gewachsenen Beweglichkeit der Meinungen und Überzeugungen. Das schließt das Umschlagen der Stimmungen ein - siehe die Einbrüche, die ihm unlängst die Verknotung von Öl-Preis und Öko-Steuer eingetragen hat. Das sind Vorwarnungen. Zur Bilanz dieser Halbzeit gehört die Einsicht, dass zwei Jahre eine lange Zeit sein können.

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