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Politik: Zweierlei Meilen

Was die Flüge von Merkel, Trittin und Schlauch unterscheidet – und neue Ideen zur Bezahlung von Abgeordneten

Von Matthias Meisner

Joschka Fischer spielte die Kritik an seinem Parteifreund Rezzo Schlauch ironisch an. Für ihn sei es der „Höhepunkt der Urlaubserholung“ gewesen, als er vergangenen Freitag vom Bonus-Urlaubsflug Schlauchs nach Bangkok erfahren habe, sagte Fischer am Montag vor der Presse in Berlin. „Bedauerlich“ nannte der grüne Spitzenkandidat das Fehlverhalten des Chefs der Bundestagsfraktion, kritisierte aber zugleich, dass das „Fehlverhalten Einzelner völlig überzogen dargestellt“ werde – vor allem in der Springer-Presse. Vor Schlauch hatte der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir die private Nutzung von Bonusmeilen eingeräumt – und war anschließend zurückgetreten.

Mehrere Stunden lang hatte der Parteirat der Grünen zuvor über die Bonusmeilen-Affäre und ihre Auswirkungen auf den Wahlkampf debattiert, mehrere Landesvorsitzende aus Ost und West hatten ihrem Unbehagen über das Verhalten Schlauchs Luft gemacht. Anschließend aber sollte die Linie der Parteiführung klar sein. Parteichef Fritz Kuhn sagte dem Tagesspiegel: „Rezzo ist nicht abgewatscht worden, auch wenn sich alle geärgert haben, ich auch.“ Für die Parteispitze war aber auch klar: Es handele sich nicht in erster Linie um eine Affäre Schlauch; dessen Rücktritt sei unangebracht, nachdem er den Betrag von 7000 Euro für den First- Class-Flug nach Thailand zurückgezahlt habe. „Jetzt ist es auch gut so“, sagte Kuhn. Fischer indes hielt Schlagzeilen aus „Bild“, „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ in die Kameras, schimpfte über deren „Schmutzwahlkampf“. Die Blätter versuchten, „politische Mehrheiten zu verändern“ .

Nur indirekt ging Fischer auf SPD-Generalsekretär Franz Müntefering und seine Strafanzeige gegen „Bild“ ein. Der Außenminister würdigte den Wert der Pressefreiheit und versicherte: „Wir sehen hier eine politische, keine justizielle Kontroverse.“ Hinter vorgehaltener Hand kritisierten Strategen aus der Parteizentrale, dass Müntefering sich „deppert“ verhalten habe. Mit seiner „Überreaktion“ habe er die Affäre nur hochgekocht, und dafür gesorgt, dass die „Bild“-Zeitung nun in die „Mitleidsecke“ gerate.

Jetzt werben die Grünen bei Springer um eine „gewisse Grundfairness“, die sie bisher „eklatant verletzt“ sehen. „Bild“ habe CDU- Chefin Angela Merkel die Erklärung durchgehen lassen, sie habe Bonusmeilen für einen privaten Italien-Flug mit ihrem Lebensgefährten als Parteichefin „erwirtschaftet“, sagte Kuhn. Umweltminister Jürgen Trittin, der bis 1998 Grünen-Chef war, wurde von dem Boulevardblatt aber genau das zum Vorwurf gemacht. Dabei habe Trittin gar nichts falsch gemacht. „Unsere Vorsitzenden können die Meilen privat und dienstlich verwenden.“ Das sei, sagte Kuhn mit Blick auf die schlechte Bezahlung der Spitzenleute in der Partei, „auch in Ordnung so“.

Weniger Affären bei besserer Politiker-Bezahlung? Für die CDU ist das zumindest eine Überlegung wert. Ihr Generalsekretär Laurenz Meyer – selbst kein Bundestagsabgeordneter – regte bei „Sabine Christiansen“ an, eine „vernünftige adäquate Entschädigung“ für Parlamentarier zu beschließen, dafür auf das „System von irgendwelchen steuerfreien Aufwandsentschädigungen“ zu verzichten. „In der Grundtendenz“ wollte Trittin dem nicht widersprechen.

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