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Schlagkraft. Die iranische Führung setzt alles daran, Nuklearmacht zu werden. Im Westen fürchtet man, dass Teheran schon bald über Atomwaffen verfügt.

© AFP

Zweite Amtszeit: Obama und die A-Frage

Obama setzt im Atomstreit mit Teheran weiterhin auf Diplomatie und Sanktionen – zu Netanjahus Ärger.

Die Sache ist klar: Für die neue, alte US-Regierung stellt das iranische Atomprogramm weiterhin die größte außenpolitische Herausforderung dar. Barack Obama möchte auf keinen Fall als amerikanischer Präsident in die Geschichtsbücher eingehen, in dessen Amtszeit sich Teheran atomar bewaffnet hat. Obama hat öffentlich mehrfach zugesichert, keine Nuklearwaffen in den Händen der Mullahs zu dulden. Das ist amerikanischer Konsens, über alle Parteigrenzen hinweg. Auch Militärschläge würden in dem ansonsten kriegsmüden Land als letztes Mittel akzeptiert, aus Kreisen der republikanischen Opposition wahrscheinlich sogar gefordert.

Hinweise auf Obamas künftige Strategie finden sich in der dritten TV-Debatte mit seinem damaligen Herausforderer Mitt Romney. Obama war stolz darauf, den Iran mit Hilfe einer großen internationalen Koalition isoliert zu haben. Der Zusammenhalt dieses Bündnisses wird in Washington als essenziell betrachtet, auch wenn dies mitunter Zugeständnisse verlangt. Viele Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass die jüngsten Sanktionen vom Iran als schmerzhaft empfunden werden.

Während sich der Republikaner Romney in der Debatte der israelischen Definition einer „roten Linie“ anschloss und bereits die „Fähigkeiten“ des Iran zum Bau einer Atomwaffe als inakzeptabel bezeichnete, blieb Obama flexibel. „Wir haben ein gutes Gespür dafür, wann sie jenen Punkt erreicht haben, ab dem wir nicht mehr intervenieren können“, sagte der Präsident – ohne sich auf Details oder konkrete Ereignisse festzulegen.

Unmittelbar vor der TV-Debatte hatte die „New York Times“ unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, der Iran sei nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl zu direkten Gesprächen mit den Vereinigten Staaten über sein Atomprogramm bereit.

Das wurde vom Weißen Haus zwar umgehend dementiert, aber die Zeitung blieb bei ihrer Darstellung. Es ist anzunehmen, dass die Bedingungen einer solchen Möglichkeit in den kommenden Wochen ausgelotet werden. Nicht ausgeschlossen wird in diplomatischen Kreisen, dass es Teheran auf eine umfassende Übereinkunft abgesehen hat – Verzicht auf den Ausbau seines Atomprogramms, dafür volle diplomatische Beziehungen, Handelsfreiheit, Sicherheitsgarantien.

Wie viel Zeit für die Kombination aus Diplomatie und Sanktionen noch bleibt, lässt sich nur schwer einschätzen. Seit langer Zeit schon heißt es regelmäßig: Das nächste Jahr ist das Entscheidende. Sowohl in Israel (Anfang des Jahres) als auch im Iran (Juni) wird 2013 gewählt. Sollte der Groll vieler Iraner über die wegen der Sanktionen miserable Wirtschaft anhalten, könnte der Druck auf Präsident Mahmud Ahmadinedschad steigen, sich in der ersten Jahreshälfte mit den USA zu einigen.

So reagiert Israel.

Benjamin Netanjahu dagegen hält eine diplomatische Lösung des Atomstreits für ziemlich unwahrscheinlich. Der Premier ist fest davon überzeugt, dass endlose Verhandlungen nur Teheran in die Hand spielten. Denn die Gespräche verschafften dem Regime die nötige Zeit, sein Nuklearprogramm weiter voranzutreiben – bis es unumkehrbar ist. Für Israel bedeutet das nach Netanjahus Lesart: Die Gefahr eines Angriffs auf den jüdischen Staat wird immer größer. Deshalb lässt der Premier keine Gelegenheit aus, zumindest rhetorisch mobilzumachen. Schließlich will er am 22. Januar auch wiedergewählt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt Israels Regierungschef vor allem auf die nationale Karte, schlüpft in die Rolle des möglichen Retters in der Not, demonstriert Härte und Stärke.

Dazu gehört auch das Säbelrasseln. Vor einigen Wochen ging in der sudanesischen Hauptstadt Khartum eine Waffenfabrik in Flammen auf – offenbar nach dem Beschuss durch Kampfflugzeuge. Sudans Führung machte umgehend Israel für den Angriff verantwortlich. Und Jerusalem ließ es bewusst offen, ob der Vorwurf gerechtfertigt war. Die kaum kaschierte Warnung in Richtung Teheran lautete: Aufgepasst, unsere Armee erreicht selbst weit entfernte Ziele, also auch die iranischen Atomanlagen – wenn es sein muss, unter Verzicht auf logistische Unterstützung durch die Supermacht USA.

Dennoch sind sich Israels Militärs weitgehend einig, dass ein effektiver Präventivschlag ohne Washingtons Zustimmung und vor allem Hilfe kaum zu machen ist. Also muss sich, darin stimmen die meisten israelischen Kommentatoren überein, Netanjahu in den kommenden Monaten mit Obama irgendwie zusammenraufen. Das dürfte dem Premier schwerfallen. Denn er hält den US-Präsidenten für ein Weichei, hatte deshalb während des Wahlkampfs in Amerika seinen Freund Mitt Romney unterstützt. Nicht zuletzt, weil er sich von ihm Beistand für einen unnachgiebigen Kurs gegenüber Teheran versprach.

Nun hat es Netanjahu mit einem gestärkten Obama zu tun. Der wird auf Diplomatie und Sanktionen setzen – und der Regierungschef in Jerusalem wird sich wohl beugen müssen. Denn inzwischen fragen sich viele Israelis: Wie lange kann man den engsten Verbündeten noch verprellen?

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