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Politik: Zweite Reihe, Mitte

Keiner verhandelt so hart wie Polen – beim Start der Regierungskonferenz zur EU-Reform schaut alles auf Warschau

DIE ZUKUNFT DER EUROPÄISCHEN UNION

Falls es noch Zweifel an der Bedeutung Polens bei den Verhandlungen über eine neue Verfassung der Europäischen Union gegeben haben sollte, so wurden sie beim Familienfoto zur Eröffnung der Regierungskonferenz ausgeräumt: Der polnische Ministerpräsident Leszek Miller stellte sich zwar in die zweite Reihe, optisch aber genau zwischen den italienischen Staatschef Silvio Berlusconi und den französischen Präsidenten Jacques Chirac. Übers Fernsehen nach Warschau übertragen, dürfte dieses Bild die Sorge um einen Machtverlust in der EU mit 25 Mitgliedern ein wenig verringern.

Polen steht zusammen mit Spanien an vorderster Front der Gegner des Verfassungsentwurfes, den der EU-Konvent im vergangenen Sommer vorgelegt hatte. Beide Länder bestehen darauf, dass der allgemein eigentlich unbeliebte Vertrag von Nizza im wichtigen Punkt der Stimmenverteilung seine Gültigkeit behält. Denn Spanien und Polen konnten in diesem Punkt in Nizza eine unverhältnismäßig starke Position für ihre Länder aushandeln.

Mit der Vorstellung, dies müsse so bleiben, sind Warschau und Madrid im Kreis der Staats- und Regierungschef aber weitgehend isoliert. Finnland und Österreich hatten zwar im Vorfeld versucht, die kleinen und mittleren Staaten als Interessengruppe gegen die Großen in Stellung zu bringen. Doch dass sie offen für Kompromisse sind, zeigte offenbar schon die erste Tischrunde unter den Staats- und Regierungschefs, die am Samstag in Rom zusammengekommen waren. Die Hauptforderung der „Kleinen“, nämlich ein stimmberechtigter Kommissar für jedes Mitgliedsland, erscheint für viele der „Großen“ nicht als unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zum Kompromiss.

An Frankreich, Deutschland und Großbritannien wird es wohl auch liegen, ob die Regierungskonferenz in der vorgesehenen Zeit zum Ziel kommt. Kanzler Gerhard Schröder räumte am Samstag bereits einen bedeutsamen Vorbehalt aus dem Weg: Natürlich sei die „Diskussion über den Konventsentwurf erwünscht", beruhigte der Kanzler diejenigen, die befürchten, das Konventsergebnis unbesehen schlucken zu müssen.

Außenminister Joschka Fischer schien sich in der Umgebung mit Wandgemälden und der Renaissancedarstellung einer idealen Stadt durchaus zu amüsieren, während der Bundeskanzler sich offenbar des Ernstes der Lange allzu bewusst war. „Bei der Eröffnung einer Regierungskonferenz gibt es nie abschließende Entscheidungen", sagte er im Anschluss vor Journalisten. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der sich von seinen Auftritten während der Regierungskonferenz durchaus Vorteile im Wahlkampf gegenüber dem derzeitigen Kommissionspräsidenten Romano Prodi verspricht, hatte in seiner Pressekonferenz bereits vorher festgelegt, welche sechs Journalisten Fragen stellen durften. Prodi ließ er kaum zu Wort kommen, bis der Vertreter der „Washington Post“ Zweifel daran äußerte, ob eine Einigung bei der Regierungskonferenz die Gräben zwischen den Mitgliedstaaten der EU tatsächlich überbrücken würde. Diese Frage durfte Prodi beantworten, der darauf hinwies, dass die EU sich schließlich noch im Bau befinde.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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