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Die Arasta Straße in Nikosias: Durch die enge Gasse drängelt sich tagtäglich der Touristenstrom vom Grenzübergang an der Ledrastraße im griechischen Teil zur bekannten Selimiye Moschee im türkischen Teil der geteilten Stadt.

© Knut Krohn

Zwischen Schadenfreude und Mitgefühl: Nordzypern schaut auf den Süden

Im türkischen Nordteil Zyperns sind die Menschen nicht gut auf den Süden zu sprechen. Doch auch sie sind von der Krise des Euro-Landes betroffen - wenn auch nur indirekt.

Zwei Herzen schlagen in der Brust von Mustafa Simsek. Er ist Geschäftsmann, aber auch  Patriot. Einerseits blickt der Nordzyprer mit kaum verhohlener Schadenfreude auf die Krise im griechischen Südteil der Insel. „Mit welcher Hochnäsigkeit sind sie immer an meinem Geschäft vorbeigeschlendert“, sagt er. Beinahe angewidert hätten sie in seinen Auslagen gewühlt. Mustafa verkauft im Nordteil Nikosias in seinem kleinen Laden T-Shirts, Jeans, bunte Tücher und allerlei Krimskrams. „Special offer“ steht auf einem von ihm handgemalten Schild. Darunter stapeln sich Boxershorts mit Armani-Aufdruck, neun Stück für zehn Euro. Er ist stolz auf sein Geschäft, das günstig an der Arasta Straße liegt. Durch die enge Gasse drängelt sich der Touristenstrom vom Grenzübergang an der Ledrastraße im griechischen Teil zur bekannten Selimiye Moschee im türkischen Teil der geteilten Stadt.

Seit einigen Jahren ist es problemlos möglich, den Checkpoint zu passieren, was dem Nordteil Nikosias einen kaum geahnten wirtschaftlichen Aufschwung ermöglicht hat. Von den Tausenden von Besuchern profitiert auch Mustafa Simsek mit seinen kleinen Geschäft, weshalb er – entgegen seiner patriotischen Einstellung – hofft, dass die Krise die Zypern-Griechen und vor allem den Tourismus im Südteil nicht allzu hart treffen möge.

Der zyprische Unternehmerverband befürchtet, dass die Wirtschaft im Süden in den nächsten Monaten um 20 bis 25 Prozent einbrechen könnte. „Das hätte natürlich auch fatale Folgen für uns“, sagt Mustafa Simsek. „Sie haben es verdient“, bricht es aus Murat Kanli heraus. Der junge Mann arbeitet im Büyük Kan, der Karawanserei aus dem 16. Jahrhundert. Heute drängen sich dort im Innenhof die Besucher, sitzen in einem der florierenden Restaurants oder genießen es einfach, für einige Augenblicke beim Flanieren durch die kleinen Geschäfte der Handwerker im ersten Stock in den Orient einzutauchen. Auch er hält die Zypern-Griechen für arrogant, die nun endlich ihre verdiente Lektion bekämen. Im Jahr 2004 hat sich Murat Kanli für die Wiedervereinigung der Insel eingesetzt, hat Plakate geklebt und bei seinen Landsleuten für die den Friedensplan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan geworben. Dann kam der große Schock: Der Norden war dafür, aber im Südteil der Insel lehnte die große Mehrheit die Wiedervereinigung ab. „Das war eine unglaubliche Demütigung“, sagt Murat Kanli. „Aber jetzt können wir von Glück sagen, dass wir eigenständig sind.“

Allerdings ist „eigenständig“ nicht die richtige Beschreibung des Status Quo. Nordzypern ist ein Satellit der Türkei, diplomatisch anerkannt nur von Ankara. Rund 40.000 türkische Soldaten sind auf der Insel stationiert, bezahlt wird mit türksicher Lira und jedes Jahr erhält der Inselteil Hunderte Millionen Euro an wirtschaftlicher Unterstützung. Aus diesem Grund profitiert Nordzypern im Moment auch vom wirtschaftlichen Höhenflug der Türkei. Deshalb argumentiert Mustafa Kanli aus einer Position der Stärke, wenn er fragt: „Weshalb sollten wir ein Interesse haben, dem Süden nun zu helfen?“ Der junge Mann glaubt nicht, dass die aktuelle Krise eine Vereinigung der seit 1974 getrennten beiden Teile wahrscheinlicher macht. Nach einem Putsch der Griechen war damals die türkische Armee kurzerhand auf der Insel einmarschiert. Alle Verhandlungen scheiterten, seit 40 Jahren ist die Insel nun geteilt.

Als jüngst vor der Küste Zyperns Gasfelder gefunden wurden, ist allerdings auch in die Frage der Wiedervereinigung Bewegung gekommen. Südzypern setzt große Hoffnungen darauf, dass die Förderung des Gases die dringend benötigten Milliarden in die Staatskasse schwemmen könnte, die das Land vor dem endgültigen wirtschaftlichen Absturz retten könnten. Die Türkei hat aber bereits sehr deutlich gemacht, dass ohne ihre Zustimmung diese Felder nicht ausgebeutet werden können. Ankaras Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte im türkischen Sender NTV, dass die Gewinne „geteilt“ werden müssten. Dazu könnten zum Beispiel die beiden Teile der Insel zu einem Staat vereinigt werden, der dann das Gas fördert. Wenn das nicht gehe, machte Außenminister Davutoglu im selben Atemzug deutlich, verlange Ankara zumindest die Anerkennung Nordzyperns als eigenständigen Staat, dann könne man weitersehen. So könnte die Gasfrage zum Katalysator für die Lösung einer seit 40 Jahren scheinbar unlösbaren Frage werden.

Knut Krohn

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