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Vor lauter Rauch ist das Feuer nicht zu sehen: Rinkeby am späten Montagabend.

© Reuters

Zwischen Trump und Rinkeby: Schweden - ein Land im Visier der Flüchtlingsgegner

Erst verwirrte US-Präsident Donald Trump mit einer Bemerkung über Schweden. Dann gab es dort wirklich Krawall. Warum das Land polarisiert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Wer den Schaden hat, darf sich über Spott nicht wundern. Am vergangenen Samstag sagte US-Präsident Donald Trump in Florida: „Schaut euch an, was in Deutschland passiert, schaut euch an, was gestern Abend in Schweden passiert ist. Schweden! Die haben sehr viele aufgenommen und haben nun Probleme, die sie nie für möglich gehalten haben“ – und dann zählte Trump Terroranschläge in Brüssel, Nizza und Paris auf. Was aber war in Schweden passiert? Nichts. Flugs wurde unter dem Hashtag #LastNightInSweden literweise Hohn auskippt. Kopulierende Elche wurden gezeigt und ein kleines rothaariges Mädchen, das ein Pferd in die Höhe stemmt.

Am Montagabend drehte der Spieß sich um. Im Stockholmer Stadtteil Rinkeby, in dem überwiegend Migranten leben, kam es nach der Festnahme eines mutmaßlichen Drogendealers zu schweren Ausschreitungen. Ein Polizist schoss gar scharf. Seitdem wird unter demselben Hashtag zurückgekübelt. In der Sache habe der US-Präsident recht gehabt. Seine Widersacher seien humanitär verblendet.

Schweden steht neben Deutschland im Zentrum der rechtspopulistischen Rhetorik in den USA. Das Land, von manchen sarkastisch als „humanitäre Supermacht“ bezeichnet, hat pro Kopf mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere in Europa (162.000 im Jahr 2015, das Land hat zehn Millionen Einwohner). Folglich muss es, so die Logik, die höchste ausländische Verbrechensrate haben.

Doch die Zahlen sind nicht so deutlich. Ja, die Kriminalitätsrate ist von 2014 bis 2016 zwar gestiegen, im Vergleich zu 2005 aber konstant geblieben. Dabei geht es vornehmlich um Gewalt- und Drogenverbrechen sowie organisierte Kriminalität. Hitzig debattiert werden auch die Gründe für die hohe Vergewaltigungsrate. Liegt sie an der seit 2005 sehr weiten Definition für diesen Straftatbestand, an der höheren Bereitschaft von Frauen, dieses Delikt anzuzeigen, an der besonderen Zählweise?

Es kursiert eine Zahl von rund 50 No-go-Areas

Hinzu kommt: Seit Oktober 2015 verschleiert Schwedens Polizei Straftaten im Zusammenhang mit Flüchtlingen unter dem Geheimhaltungscode 291 – „nichts soll nach außen dringen", so steht es in der internen Polizeianweisung. Das nährt wilde Spekulationen. Überdies kursiert eine Zahl von rund 50 No-go-Areas, in die sich normale Polizeistreifen angeblich nicht mehr hineintrauen. Schlagzeilen produziert auch der schwedische Polizist Peter Springare, der auf seiner Facebook-Seite die Herkunftsländer mutmaßlicher Täter auflistet.

Dem gegenüber steht die Einschätzung der OECD vom Mai 2016, in der es heißt, die Integration der Flüchtlinge laufe im Großen und Ganzen gut. Kein Ende also des Streits. Schweden wird wohl noch lange eine Projektionsfläche bleiben sowohl für die wüstesten Ängste der Flüchtlingsgegner als auch für die kühnsten Hoffnungen der Willkommenskulturellen.

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