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Politik: Zwischen Volk und Volkswagen Von Lorenz Maroldt

Das schlechte Gewissen des Autokonzerns dringt wie Abgas durch einen defekten Katalysator in die Welt. Verdruckst, ertappt, nach Tagen der Suche angeblich nach Namen von VWBeschäftigten mit politischem Mandat, tatsächlich aber wohl eher nach einer halbwegs plausiblen Erklärung für das Doppeleinkünftewesen gibt Volkswagen also bekannt: „Europaweit“ sei man auf sechs Parlamentarier gestoßen, die zugleich auf der Gehaltsliste der Aktiengesellschaft stehen oder bis vor kurzem dort standen.

Das schlechte Gewissen des Autokonzerns dringt wie Abgas durch einen defekten Katalysator in die Welt. Verdruckst, ertappt, nach Tagen der Suche angeblich nach Namen von VWBeschäftigten mit politischem Mandat, tatsächlich aber wohl eher nach einer halbwegs plausiblen Erklärung für das Doppeleinkünftewesen gibt Volkswagen also bekannt: „Europaweit“ sei man auf sechs Parlamentarier gestoßen, die zugleich auf der Gehaltsliste der Aktiengesellschaft stehen oder bis vor kurzem dort standen. Europaweit – da klingt sechs nicht nach ganz so viel.

Aber darum geht es ja nur am Rande, abgesehen davon, dass jene sechs VW-Angestellten alle in deutschen Parlamenten sitzen, wenn sie denn da sind. Das Anstößige daran formuliert Volkswagen verräterisch so: „Die bisherigen Grundsätze sicherten Mandatsträgern weitgehende Autonomie in ihrer Arbeitszeitgestaltung zu bei Fortzahlung ihrer Bezüge. Diese größtmögliche Arbeitszeitsouveränität und Eigenständigkeit sollte die Unabhängigkeit der Abgeordneten bei der Ausübung der Mandate wahren.“ Im Klartext: VW überlässt es seinen politisierenden Angestellten, wie sie eine Gegenleistung für ihr Gehalt schaffen. Ein dialektischer, wenn nicht diabolischer Begriff von Unabhängigkeit. Baute VW nach einer solchen Logik Autos, sie würden allesamt die silberne Zitrone des ADAC für den Pannenwagen des Jahres bekommen.

Was kann eine angemessene Gegenleistung der VW-Politiker im Vergleich zum vorherigen Job sein? Da Volkswagen eine Aktiengesellschaft ist und kein Wohltätigkeitsverein, erstreckt sich die Erwartung zwangsläufig auch auf politisches Handeln. Der angestellte Abgeordnete beziehungsweise der abgeordnete Angestellte soll als Lobbyist tätig werden.

Lobbyismus an sich ist nichts Unanständiges. Berlin ist voll von Lobbyisten. Manche von ihnen halten sich zugute, daran mitgewirkt zu haben, dass die Regierung großen Unternehmen Milliardenabschreibungen ermöglicht. Nur tun die meisten Lobbyisten eben nicht so, als seien sie finanziell ungebundene Abgeordnete. Aus keiner öffentlich zugänglichen Quelle war bisher ersichtlich, dass Parlamentarier trotz Mandat weiter Gehalt beziehen und was sie dafür tun. Aus dem Bundestagshandbuch ist zu erfahren, ob ein Parlamentarier sich ehrenamtlich für Vogelschützer einsetzt oder für Kirchenmusiker, nicht aber, dass er sich gegebenenfalls zwischen dem Volk, von dem er Diäten bezieht, und Volkswagen, von dem das Gehalt kommt, entscheiden muss. Das aber geht uns alle an.

Es gibt viele Wege, das Problem zu lösen. Zum Beispiel mit Bandenwerbung der SPD-Fraktion: „Für Volk und Volkswagen“. Mit Trikotwerbung der CDU – „Wir strahlen für Sie dank RWE“. Mit einem Jingle im Bundestag: „Die nachfolgende Rede der Abgeordneten Müller wird Ihnen präsentiert von der Dresdner Bank.“ Oder mit der Verpflichtung, den Zusatzverdienst zu veröffentlichen. Die Höhe spielt eine nebensächliche Rolle. Die Tatsache an sich ist wichtig zu wissen. Und eigentlich selbstverständlich.

Der CSU-Abgeordnete Ramsauer – laut Handbuch Inhaber der Firma Ramsauer Talmühle –, der mit Wasserkraft Geld macht und sich bei Bundestagsdebatten nicht ganz selbstlos, aber oft gegen die eigene Partei für erneuerbare Energien einsetzt, sagt, es sei „nichts Unanständiges, wenn man neben dem Abgeordnetenmandat noch Verbindung mit dem normalen Leben hält“. Da hat er wohl mehr Recht, als ihm recht ist.

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