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Politik: Zwischen zwei Feuern

Der Iran fürchtet Saddam – aber auch einen US-Militärschlag

Von Birgit Cerha, Beirut

Nun hat die Argumentationsschlacht vor einem möglichen Militäreinsatz gegen den Irak auch den benachbarten Iran erreicht: Der US-Sender NBC berichtete am Mittwoch unter Berufung auf nicht identifizierte Kreise, Luftaufnahmen im Iran hätten ein mutmaßliches Terroristen-Lager zur Ausbildung von Al-Qaida-Kämpfern gezeigt. Das Außenministerium in Teheran reagierte sofort: Es gebe keine derartigen Lager im Iran, hieß es dort, und außerdem sei Teheran von Beginn an gegen die Al Qaida gewesen.

Das prompte Dementi in Teheran hat seinen Grund: Der iranische Präsident Mohammed Chatami will der Supermacht USA keinerlei Vorwand für einen Angriff liefern. Dabei hätte es gar nicht des NBC-Berichts bedurft, um Teheran in Alarmstimmung zu versetzen: Der Iran stellt sich ohnedies bereits voll auf einen Irak-Krieg ein. Die Luftwaffe bereitet sich auf zweiwöchige Manöver im Westen des Landes vor. Zugleich verkündet die oberste Militärführung, man habe Pläne zur Abwehr einer möglichen amerikanischen Attacke im Gefolge eines Angriffs auf den Irak erarbeitet. Denn der Iran, von Washington als Teil einer „Achse des Bösen“ klassifiziert, befürchtet, er könnte nach dem Irak das nächste Ziel amerikanischer Militäraktionen sein.

Ein in Teheran diskutiertes Kriegsszenario sieht einen Angriff der USA entlang der iranischen Grenze zu Afghanistan vor, um flüchtige Al-Qaida-Terroristen zu verfolgen. Washington beschuldigt die „Islamische Republik“, Hunderten Anhängern des Terrorchefs Osama bin Laden Unterschlupf zu gewähren. Teheran weist solche Behauptungen energisch zurück.

Die drohende Konfrontation der USA mit dem Nachbarn bringt Teheran in einen tiefen Zwiespalt. Keinem anderen Land hat der irakische Diktator Saddam Hussein so tiefe Wunden zugefügt wie dem Iran. Der von Bagdad vom Zaun gebrochene achtjährige Krieg zwischen 1980 und 1988 hat mehr als eine halbe Million Iraner das Leben gekostet. Kein Zweifel, der Sturz Saddam Husseins würde den Iranern große Genugtuung verschaffen.

Vizepräsident Ali Abtahi stellt unverblümt fest, dass der Iran „jedes andere Regime (im Irak) an der Stelle des gegenwärtigen vorziehen würde". Doch zugleich kritisiert er die „hegemonistischen und illegitimen Absichten der USA".

Auch in der Bevölkerung ist, ungeachtet des immer noch schwelenden Hasses auf Saddam, heute die „Opposition gegen einen möglichen US-Schlag (auf den Irak) weit stärker als 1991 (nach der irakischen Invasion Kuwaits)“, meint der iranische Politologe Iraj Rashti. Hatten nicht die USA in den 80er Jahren den Irak im Krieg gegen die „Islamische Republik“ unterstützt, als Bagdad Zehntausende iranische Soldaten durch Giftgas tötete? Außenminister Kamal Kharrazi gesteht offen iranische Ängste vor möglichen Massenvernichtungswaffen des Nachbarn ein. Doch ein militärischer Alleingang der USA ist für das offizielle Teheran inakzeptabel. Nur wenn Bagdad nicht mit den UN-Inspekteuren zusammenarbeite und die Vereinten Nationen militärische Sanktionen zur Durchsetzung der entsprechenden Resolutionen beschließen, könnte Teheran seine Position ändern – vorausgesetzt, dass dieselben Kriterien auch gegenüber anderen Staaten angewendet würden. Gemeint ist damit Israel.

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