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Noch immer sind in Zypern die Banken geschlossen - erst am Dienstag sollen sie wieder öffnen.

© dpa

Zypern-Rettung: Keine sichere Bank

In Nikosia, Moskau und Brüssel wird fieberhaft nach Wegen gesucht, um einen Staatsbankrott Zyperns zu verhindern. Welche Optionen gibt es für den Inselstaat?

Es steht viel auf dem Spiel: für Zypern selbst, für die Euro-Staaten, für Europa. Denn die Tatsache, dass die Euro-Staaten nicht in der Lage wären, einem ihrer Mitglieder auf die Beine zu helfen, wäre ein verheerendes Signal für die Finanzmärkte und das Ansehen des gesamten Euro-Raumes, ja, ganz Europas. Weil die EU dem von maroden Banken in den Abgrund gezogenen Zypern nur dann hilft, wenn es auch einen eigenen Beitrag leistet und bestimmte Vorgaben erfüllt, schauen nun alle auf die Möglichkeiten zur Rettung, die dem Inselstaat noch verbleiben. Im Folgenden betrachten wir diese Optionen genauer.

Kann Zypern selbst noch Reserven mobilisieren?

Nachdem das zyprische Parlament am Dienstagabend die geplante Zwangsabgabe auf Bankguthaben abgeschmettert hat, suchen die Politiker in Nikosia jetzt verzweifelt nach anderen Möglichkeiten, Geld zusammenzukratzen, um die strauchelnden Banken zu retten und den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. „Russisches Roulette“, „Letzte Hoffnung Russland“, „Licht am Ende des Tunnels im Flirt mit Moskau“ – so lauteten Schlagzeilen der zyprischen Zeitungen am Mittwoch. Parallel zur Moskau-Mission von Finanzminister Michalis Sarris vollzog sich in Nikosia die fieberhafte Suche nach dem „Plan B“. Im Präsidentenpalast der Inselhauptstadt folgte ein Krisentreffen dem anderen. Als erster Besucher fuhr Mittwochmorgen um kurz vor acht Zyperns Erzbischof Chrysostomos („Goldmund“) in seiner schwarzen Limousine bei Staatspräsident Anastasiades vor. Nach dem Gespräch teilte der Gottesmann mit, die orthodoxe Kirche Zyperns sei bereit, ihren gesamten Besitz zu verpfänden, um dem Staat aus der Finanzklemme zu helfen und die Banken zu retten. Das ist kein ganz uneigennütziges Angebot, weil die Kirche größter Einzelaktionär der Hellenic Bank ist, des drittgrößten Kreditinstituts der Insel. Das macht die Offerte aber nicht weniger großzügig, denn die Kirche Zyperns dürfte die reichste Institution der Insel sein. Ihr Landbesitz ist nahezu unüberschaubar. Auch ist der Klerus größter Aktionär des zyprischen Bier- und Spirituosenkonzerns Keo.

Im Gespräch ist auch die Ausgabe von „Volksanleihen“. Besichert werden sollen die Papiere mit Staatseigentum und mit künftig erwarteten Einnahmen aus der Öl- und Erdgasförderung. Doch dass mit freiwilligen Beiträgen der Zyprer die benötigte Summe aufgebracht werden kann, ist unwahrscheinlich. Die 5,8 Milliarden Euro entsprechen immerhin einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts der Insel. Jeder Zyprer, vom Baby bis zum Greis, müsste dafür fast 7000 Euro aufbringen.

Zypern hat keinesfalls Wochen, sondern nur wenige Tage zur Verfügung, einen Plan zur Bankenrettung auszuarbeiten. Auch am Mittwoch blieben die Geldinstitute geschlossen, bereits den fünften Tag in Folge. Wann sie wieder öffnen, war gestern noch ungewiss. Je länger die Banken geschlossen bleiben, desto mehr wird nicht nur die zyprische Wirtschaft gelähmt. Auch die Unruhe in der Bevölkerung wächst, das Vertrauen in das Bankensystem schwindet weiter – was zu chaotischen Zuständen führen könnte, wenn die Geldinstitute schließlich wieder öffnen. In Nikosia ist bereits davon die Rede, man wolle Auslandsüberweisungen für einen bestimmten Zeitraum ganz verbieten und Barabhebungen begrenzen. Die Zukunft der Banken stand auch im Mittelpunkt der Beratungen, die Präsident Anastasiades gestern Vormittag zunächst mit den Vorsitzenden der politischen Parteien und anschließend im Kabinett führte. Danach traf Anastasiades mit den Vertretern der Troika zusammen.

Kommt die EU den Zyprern entgegen?

Dass die EU von ihrer Forderung abrückt, ist eher unwahrscheinlich. Die Verhandlungsposition lautet: Zypern muss weiterhin die Summe von 5,8 Milliarden Euro durch eine Beteiligung des Banksektors aus eigener Kraft beibringen, bevor die Inselrepublik gerettet werden kann. Zwar fiel in Brüssel die Reaktion auf die Ablehnung des Rettungspakets durch das zyprische Parlament auf den ersten Blick erstaunlich gelassen aus. Ein Kommissionssprecher verlas am Mittwoch eine dürre Erklärung der Brüsseler Behörde, aus der hervorging, dass es nun an der zyprischen Regierung sei, einen neuen Lösungsvorschlag vorzulegen. Mit anderen Worten: Die Eckpunkte des Rettungspaketes sollen aus Sicht der EU-Kommission und der internationalen Geldgeber nicht mehr verändert werden.

In dem Statement der EU-Kommission ging es auch noch einmal um den Streit über die Zwangsabgabe für die Inhaber zyprischer Bankkonten, der die Gemüter auf der Insel in den vergangenen Tagen erhitzt hatte. Nach dem Beschluss der Euro-Gruppe vom vergangenen Wochenende hatte es zunächst geheißen, dass sämtliche Guthaben in Zypern – also auch die Kleinsparer – mit einer Sondersteuer von bis zu 9,9 Prozent belastet werden sollen. Die Nachricht hatte einen Proteststurm in der zyprischen Bevölkerung ausgelöst. Am Dienstag hatte Zyperns Präsident Nikos Anastasiades dann eine neue Lösung präsentiert, der zufolge Guthaben bis 20 000 Euro von der Zwangsabgabe befreit werden sollen. Doch da war das Kind schon in den Brunnen gefallen – Zyperns Parlament lehnte die Verhandlungslösung ab. Die EU-Kommission bekräftigte nun am Mittwoch, dass es ihr am liebsten wäre, wenn sämtliche Einlagen bis 100 000 Euro von der Sondersteuer befreit werden könnten. Ob sich Staatschef Anastasiades bei einer möglichen Neuverhandlung des Pakets auf diese Forderung einlässt, ist offen. Bislang hat er sich dagegen gesperrt, Einlagen bis 100 000 Euro von der Abgabe zu verschonen. Der Grund: Zyperns Präsident scheut bislang davor zurück, die Einleger mit einer Abgabe von über zehn Prozent zu belasten. Diplomaten bestätigten unterdessen, dass Anastasiades am vergangenen Wochenende auf eine entsprechende Obergrenze pochte. Damit verfolgte der Staatschef offensichtlich das Ziel, reiche russische und andere Anleger zu schonen.

Trotz des zur Schau getragenen „Business as usual“ steht das Zypern-Problem in diesen Tagen sehr wohl im Mittelpunkt der EU-Institutionen. Dass in der EU-Kommission wieder einmal Alarmstimmung herrscht, lässt sich schon daran ablesen, dass Währungskommissar Olli Rehn für Donnerstag und Freitag seine Teilnahme an einem Besuch in Moskau absagte. Anstatt sich gemeinsam mit Kommissionschef José Manuel Barroso auf den Weg nach Russland zu machen, steht der Finne Rehn lieber in Brüssel bereit: Falls dort in den nächsten Tagen die Suche nach einem neuen Deal mit den Zyprern wieder beginnen sollte, will er an den Verhandlungen teilnehmen.

Kann die EU das Land einfach fallenlassen?

Kann die EU das Land einfach fallenlassen?

Die Pleite Zyperns würde eintreten, wenn das Land im Falle eines Scheiterns weiterer Verhandlungen mit den übrigen Euro-Partnern nicht an den gewünschten Kredit in Höhe von zehn Milliarden Euro käme und auch sonst auch keine neue Finanzierung mehr erschließen könnte. Zunächst gibt es keine Anzeichen dafür, dass das schlimmste aller denkbaren Szenarien eintritt: Am Dienstagabend hatte die Europäische Zentralbank (EZB) erklärt, sie werde Zypern „innerhalb der bestehenden Regeln nach Bedarf Liquidität zur Verfügung stellen“.

In jedem Fall wird die zyprische Regierung alles daran setzen, dass es nicht zu einem „Bank-Run“ kommt, der zu einer Pleite der Geldhäuser führen würde: So lange keine endgültige Lösung über einen möglichen Beitrag der Anleger in dem Euro-Land gefunden ist, dürften die Finanzinstitute weiterhin geschlossen bleiben.

In Berlin gab es am Mittwoch unterschiedliche Signale, ob man es im schlimmsten Fall auf eine Insolvenz der zyprischen Geldhäuser ankommen lassen würde. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, dass eine Staatspleite Zyperns unerwünscht, aber beherrschbar sei. Die Äußerung erinnert ein wenig an die unverhüllte Drohung von FDP-Chef Philipp Rösler, der im vergangenen Sommer vorübergehend zu der Erkenntnis gelangt war, dass ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone „seinen Schrecken verloren“ habe – eine Einschätzung, die von der Bundesregierung später revidiert wurde. Ein Signal des Entgegenkommens gab es wiederum am Mittwoch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Man werde es in Zypern nicht zum Äußersten kommen lassen, sagte sie im Europaausschuss des Bundestages nach Teilnehmerangaben. Zudem habe die Kanzlerin den Angaben zufolge deutlich gemacht, dass sie sich der komplizierten Lage mitsamt ihrer geostrategischen Implikationen bewusst sei. Sprich: Es geht im Fall Zyperns längst nicht mehr allein um Europas gemeinsame Währung, sondern auch um die Frage, welchen Einfluss Russland künftig im Südosten Europas hat.

Sollten die übrigen Euro-Länder Zypern dennoch wieder Erwarten fallen lassen, hätte eine Pleite zunächst einmal verheerende Folgen für die Bevölkerung auf der Insel – Staatsbedienstete würden kein Gehalt mehr bekommen, eine Welle der Kapitalflucht würde einsetzen. Ob eine Zypern-Pleite einen Flächenbrand im Euro-Raum auslösen würde, ist umstritten.

Vor allem in Griechenland dürften die Schockwellen zu spüren sein – auf den dortigen Filialen der zyprischen Banken Bank of Cyprus, Hellenic Bank und der Cyprus Popular Bank lagern Guthaben in Höhe von insgesamt zwölf Milliarden Euro. Die Filialen müssten im Fall einer Zypern-Pleite von den Mutterhäusern abgetrennt werden. Folgen hätte eine Pleite des Inselstaates nicht zuletzt auch für deutsche Banken: Das Land schuldet ihnen insgesamt sechs Milliarden Euro.

Wird Russland Zypern helfen?

„Wir bleiben hier, bis wir eine Einigung erzielt haben.“ Die Verhandlungen, so Zyperns Finanzminister Michail Sarris nach der Begegnung mit seinem russischen Amtskollegen Anton Siluanow, seien „sehr konstruktiv, gut und fair“ gewesen. Nun würden sie an einem anderen Ort fortgesetzt. Auch die Gespräche mit Vizepremier Igor Schuwalow würden weitergehen.

Schon im Februar, als sich Anzeichen für den drohenden Staatsbankrott verdichteten, war die Sonneninsel in Moskau wegen Umschuldungsverhandlungen vorstellig geworden. Russland hatte Zypern schon 2011 einen ersten Rettungskredit in Höhe von 2,5 Milliarden mit einer Laufzeit von fünf Jahren gewährt. Nikosia will die Tilgung bis 2020 strecken. Doch das ist inzwischen eher Nebensache. Denn Zypern will sich nach dem Scheitern der Parlamentsabstimmung von Moskau weitere Milliarden leihen. Eigens dazu hatte Präsident Nikos Anastasiades zu Wochenbeginn mit Amtsbruder Wladimir Putin telefoniert. Angesichts der Risiken will Putin das Darlehen zuverlässig besichern – Medienberichten zufolge mit Übernahme zyprischer Energievorkommen durch den staatsnahen Monopolisten Gazprom und durch Einstieg russischer Geldhäuser bei den Insel-Banken. Dafür spricht, dass deren Vertreter bei den Verhandlungen mit Vizepremier Schuwalow mit am Tisch saßen.

Moskau hat für den Deal gleich mehrere gute Gründe: Das Großkapital war schon in den Neunzigern in die damalige Steueroase im Mittelmeer geflüchtet, Russen gehört derzeit ein Drittel aller Einlagen dort: bis zu 70 Milliarden Euro. Bei einem Zusammenbruch der Insel-Banken wäre das Geld futsch. Und damit womöglich auch die Loyalität der Oligarchen. Aber Schutz nationaler Wirtschaftsinteressen gehört zu den Prioritäten russischer Außenpolitik.

Entsprechend nervös reagierten Kreml und Regierung denn auch auf die geplante Einmal-Steuer. Diese, so Putin, sei „ungerecht, unprofessionell und gefährlich“. Dabei schwang auch die Wut darüber mit, dass die EU sich dabei nicht mit Russland abgestimmt und die sonst in Moskau wohlgelittene Bundeskanzlerin Angela Merkel Zypern angeblich sogar untersagt habe, über die Rettung mit Partnern außerhalb der Eurozone zu verhandeln. Russland, so Finanzminister Siluanow daher schon am Montag, werde deshalb nach einer eigenen Lösung suchen.

Dabei, so kritische Experten, gehe es längst nicht mehr nur um Zypern, die Insel sei in Moskaus strategischen Planspielen nur der Testballon für eine mögliche Rettung anderer EU-Südstaaten und eigne sich allein schon deshalb bestens als Modellfall, weil die volkswirtschaftliche Gesamtleistung der Insel kaum größer sei als die einer der russischen Boom-Regionen. Bei den Verhandlungen mit Zypern soll es dem Vernehmen nach auch darum gehen, dass Russland einen Stützpunkt für seine Seekriegsflotte auf der Mittelmeerinsel bekommt.

Rettet Gas das Land?

Rettet Gas das Land?

Seit die texanische Gesellschaft Noble Energy Ende 2011 Erdgasvorkommen vor der Südküste Zyperns nachwies, beschäftigen die mutmaßlichen Bodenschätze die Fantasie der Inselbewohner – und jetzt, wo die Regierung verzweifelt auf Geldsuche ist, mehr denn je. Die Insel sitzt möglicherweise auf Erdgasvorkommen, die nicht nur den eigenen Bedarf auf Jahrzehnte hinaus decken, sondern auch Europa unabhängiger von russischem Gas machen könnten. Im Oktober 2011 begann Noble Energy im sogenannten Block 12, einem von 13 Offshore-Sektoren südlich der Insel, mit der Suche nach Erdgas. Block 12 grenzt an ein Seegebiet, in dem Israel bereits 2009 zwei große Erdgasfelder entdeckte, Tamar und Dalit. Ende 2010 einigten sich Israel und Zypern auf eine Abgrenzung der beiderseitigen Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer. Ende Dezember 2011 wurde Noble Energy im zyprischen Sektor fündig: Etwa 4500 Meter unter dem Meeresboden stieß die Probebohrung auf ein Erdgasfeld. Es hat nach ersten Schätzungen einen Umfang von 255 Milliarden Kubikmeter. Der Fund könnte Zyperns Erdgasbedarf für etwa zwei Jahrzehnte decken. Die Förderung soll 2018 beginnen. Doch das ist erst der Anfang. Ende Januar vergab die Regierung eine Konzession für Bohrungen in den Blocks 2,3 und 9 an ein Konsortium aus der italienischen Eni und der südkoreanischen Kogas. In den Blocks 10 und 11, die im Februar an den französischen Konzern Total vergeben wurden, vermuten Experten weitere 150 bis 240 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Und darunter dürfte es Ölvorkommen geben, die möglicherweise noch bedeutender sind. Total will deshalb mit den Bohrungen in größere Tiefen vorstoßen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch der russische Konzern Gazprom längst ein Auge auf die zyprischen Gasvorkommen geworfen hat.

Charalambos Ellinas, Chef der Staatlichen Öl- und Gasgesellschaft KRETIK, schätzt die Gasvorkommen in der zyprischen Wirtschaftszone auf „mindestens 60 Billionen Kubikfuß“ (1,8 Billionen Kubikmeter). Damit könnte Zypern neben der eigenen Nachfrage auch etwa zehn Prozent des Bedarfs Westeuropas decken, sagt Ellinas. Eine Studie der Royal Bank of Scotland beziffert den Marktwert der zyprischen Gas- und Ölvorkommen auf „mehr als 600 Milliarden Euro“. Davon könnte, so eine Faustregel, der Staat etwa die Hälfte kassieren. Das entspräche fast dem Zwanzigfachen der Staatsschulden Zyperns.

Klarheit über den tatsächlichen Umfang der Öl- und Gasvorkommen sowie den Wert der Bodenschätze werden die Experten allerdings erst in etwa drei Jahren haben. Nach den bisherigen Plänen wollte Zypern 2015 mit dem Bau eines Gasterminals bei Vassilikos an der Südküste beginnen. Ob die Pläne angesichts der gegenwärtigen Krise aber überhaupt umgesetzt werden können, ist fraglich.

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