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Politik: Zypries verteidigt Lauschangriff vor dem Verfassungsgericht

Justizministerin sieht Abhörwanzen als letztes Mittel im Kampf gegen Kriminelle / Richter kritisiert, dass Gespräche mit Anwälten mitgeschnitten werden

Karlsruhe. In einer der mit 33 Verfahrensbeteiligten größten mündlichen Anhörungen der vergangenen Jahre hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag den so genannten „Großen Lauschangriff" geprüft. Der frühere Bundestagsabgeordnete und FDP-Politiker Burkhard Hirsch forderte in Karlsruhe noch einmal eindringlich den Schutz des gesprochenen Wortes im Privatbereich. Wenn man sich nicht mehr sicher sein könne, dass das eigene Wort in den eigenen vier Wänden bleibe, sei ein „Grundelement einer freien Gesellschaft" berührt.

Die Grundgesetzänderung von 1998, die das Abhören von Wohnungen zur Strafverfolgung erstmals erlaubte, halten Hirsch, die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (beide FDP) deshalb für verfassungswidrig. Sie und vier weitere Kläger wandten sich deshalb nach Karlsruhe. Aber selbst wenn das Bundesverfassungsgericht die Grundgesetzänderung billige, sei der „Große Lauschangriff" verfassungswidrig. Denn er sei bei zu vielen Straftaten möglich und die nachträgliche Kontrolle völlig unzureichend.

Der Erste Senat versuchte sich ein genaues Bild von der Abhörpraxis in Deutschland zu verschaffen. Die Abhöraktion muss von einer Strafkammer des Landgerichts genehmigt werden. Aus den weniger als 30 Abhörmaßnahmen jährlich zogen die Verfahrensbeteiligten ganz unterschiedliche Schlüsse. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wertete sie als Beweis für den verantwortungsbewussten Umgang der Justiz. Nur als „letztes Mittel“ werde die elektronische Überwachung eingesetzt, an die Wand gemalte „Schreckensbilder" hätten sich nicht bewahrheitet. Praktiker schilderten dagegen die Schwierigkeiten der „Verwanzung" einer Wohnung. Gerade wenn ein ausländischer Tatverdächtiger in einer großen Familie lebe, sei es sehr schwierig, unbemerkt in eine Wohnung einzudringen und Mikrofone zu legen. Auch die Nachbarn entdeckten sehr schnell fremde Personen. Schließlich sei die Auswertung der Mitschnitte sehr arbeitsintensiv.

Zu intensiven Nachfragen führte das Problem, dass bei automatischen Aufzeichnungen Gespräche mit Rechtsanwälten erfasst werden könnten, die nach dem Gesetz aber nicht erfasst werden dürfen. Oberstaatsanwalt Achim Thiel, der Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität in Frankfurt, versicherte, dass der auswertende Polizeibeamte bei solchen Abschnitten sofort weiterspule. Von der Originalaufzeichnung würde ein so genanntes Arbeitsband angefertigt, auf dem solche Teile herausgeschnitten seien. Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem sagte, dass damit aber das Aufzeichnungsverbot für Gespräche mit Anwälten bereits verletzt sei.

Auf Bedenken stieß ferner, dass das versiegelte Originalband bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bleibe und nicht an einen Ermittlungsrichter gehe. Der frühere niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer (SPD) sprach sich wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob, und andere Länderminister für den „Großen Lauschangriff" aus, allerdings in deutlich engeren Grenzen. Pfeiffer stellte die wesentlich strengeren Kontrollen in den USA dar, wo ein Richter genau erfassen müsse, wie viele Personen von einer Abhöraktion betroffen, wie viele davon unschuldig waren und wie viele später weshalb verurteilt wurden. Die Erfahrungsberichte, die die Bundesregierung jährlich vorlegen muss, seien „intransparent".

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