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Brandenburg: Polizist schlägt Kameruner – angeklagt sind beide Staatsanwaltschaft wirft dem Beamten rassistische Attacke vor. Sein Opfer aber soll bei der Notwehr überzogen haben

Cottbus – Ein ungewöhnlicher Prozess war am gestrigen Nachmittag am Amtsgericht Cottbus angesetzt. Es ging um zwei an sich getrennte Verfahren: Im ersten war ein Mitarbeiter der brandenburgischen Bereitschaftspolizei angeklagt.

Von Sandra Dassler

Cottbus – Ein ungewöhnlicher Prozess war am gestrigen Nachmittag am Amtsgericht Cottbus angesetzt. Es ging um zwei an sich getrennte Verfahren: Im ersten war ein Mitarbeiter der brandenburgischen Bereitschaftspolizei angeklagt. Er soll in der Nacht zum 26. Mai 2007 den damals 27-jährigen Studenten Oscar M. aus Kamerun rassistisch beleidigt und geschlagen haben. Im zweiten Verfahren ist der Student selbst wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt, weil er sich gegen den Polizisten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in einer Weise verteidigte, die über Notwehr hinausging.

Der Student der Technischen Universität Cottbus, Oscar M., war seinen Angaben zufolge in der Tatnacht gegen zwei Uhr vor der Cottbuser Stadthalle zunächst von zwei Männern angepöbelt und mit Steinen beworfen worden. Er habe das ignoriert und sei schneller gelaufen. Wenig später habe sich ihm ein Mann in den Weg gestellt, der ihn als „Neger“ beschimpfte. Er sei zunächst ausgewichen, dann sei ihm der Mann nachgelaufen und habe nach ihm getreten und geschlagen. Da habe er sich gewehrt. Der kräftige Oscar M. schlug zurück, kugelte dem stark angetrunkenen Bereitschaftspolizisten, der nicht im Dienst war, den Arm aus und verletzte ihn am Schlüsselbein.

Das hätte die Staatsanwaltschaft noch als Notwehr gewertet, sagte ein Sprecher. Weil Oscar M. aber dem angeblich hilflos am Boden Liegenden noch einen Fußtritt verpasste, ist er nun ebenfalls angeklagt. Oscar M. hatte während der Ermittlungen beteuert, dass der Angreifer wieder aufstehen und weiter auf ihn einprügeln wollte und er ihm deshalb den Fußtritt gab. Der Verteidiger des Polizisten sagte gestern hingegen, es stehe nicht fest, wer die Prügelei auslöste. Sein Mandant behaupte, als Nazi beschimpft worden zu sein.

Ungewöhnlich ist der Fall auch deshalb, weil die Öffentlichkeit zunächst nichts davon erfahren hat. Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft hielten im Mai 2007 eine entsprechende Information für notwendig. Erst als Oscar M. selbst von dem Vorfall berichtete und der Cottbuser Ausländerbeauftragte einen rassistischen Hintergrund der Tat vermutete, wurde der Fall publik. Der Leitende Oberstaatsanwalt begründet das Schweigen damit, dass man zunächst keinen rassistischen Hintergrund gesehen habe. Dem Tagesspiegel sagte er gestern: „Gerade weil es sich um einen Angestellten der Bereitschaftspolizei handelte, haben wir sorgfältig geprüft.“ Diese Prüfung führte letztlich doch zur Anklage des Polizisten. Gegen diesen ist auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das jedoch bis zum Urteil ausgesetzt wurde.

Doch ein Urteil wird es möglicherweise gar nicht geben. Der Richter schlug gestern den Verteidigern der beiden Männer, die sich keines Blickes würdigten, eine Art Täter-Opfer-Ausgleich vor. Sollten sie dem zustimmen, würden beide Verfahren eingestellt. Für die Entscheidung haben die Verteidiger vier Wochen Zeit. Sandra Dassler

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