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© Andreas Klaer

Potsdam: Rückkehr des Engels

Eine 1972 entwendete Bronzeschale wurde anonym im Schloss Cecilienhof abgelegt.

Potsdam - Ein Findelkind besonderer Art wurde vor wenigen Tagen im Schloss Cecilienhof entdeckt. Unweit der Schlosskasse hatte ein Unbekannter eine Bronzeschale abgelegt. Auf einem Briefumschlag war in etwas krakeliger, orthografisch aber korrekter Blockschrift vermerkt, der Überbringer folge dem Wunsch eines Verstorbenen. Dieser habe 1972 die Schale aus dem einstigen Rauchzimmer des letzten deutschen Kronprinzen mitgenommen und sie nun, nach seinem Tod, zurückgeben wollen.

Jetzt wurde das Kunstwerk in Cecilienhof präsentiert. Nach Angaben des stellvertretenden Schlosskastellans Matthias Simmich belegen historische Fotos, dass die Schale 1945 zur Ausstattung des Zimmers gehörte, das bei der Konferenz der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges wohl von der US-amerikanischen Delegation genutzt wurde. Vor Kriegsende habe die Schale, die von einem auf einer Säule knienden Engel getragen wird, nicht zur Ausstattung des kronprinzlichen Rauchkabinetts gehört. Die Stiftungskustodin für Skulpturen, Saskia Hüneke, hatte in den Inventaren vergeblich nach dem Stück gesucht. Deshalb geht sie davon aus, dass die Plastik erst für die Ausstattung des Arbeitszimmers zur Potsdamer Konferenz nach Cecilienhof gebracht worden ist. Wer sie geschaffen hat und woher sie stammt, konnte nicht geklärt werden. Zudem hegt die Kustodin Zweifel, ob der knieende Engel und die von ihm getragene muschelförmige Bronzeschale, von deren Rand eine heidnische Windgottheit bläst, ursprünglich zusammengehört haben.

Der Freude über die Rückkehr des Kunstwerks ins Schloss Cecilienhof tut das keinen Abbruch. Hier wie für alle Potsdamer Welterbeschlösser bemüht sich die Stiftung um eine Wiederausstattung mit originalen, geschichtlich verbürgten Möbeln, Gemälden und anderen Kunstwerken. Dazu werden sogar auf dem internationalen sogenannten „grauen“ Kunstmarkt für hohe Summen Werke aus dem einstigen Bestand der Schlösser gekauft, ohne dass die Stiftung deren Herkunft aus russischer oder westalliierter „Kriegsbeute“ hinterfragt. Ebenso trägt dazu in bescheidenem Maß die in den letzten Jahren zunehmende Rückgabe von Kunstwerken bei, die in den Nachkriegswirren oder während der Abrisswelle der DDR-Zeit in Potsdamer Privatbesitz geraten sind. „Wir freuen uns über jede weitere Rückgabe“, erklärt Saskia Hüneke. „Mit Sanktionen muss niemand rechnen.“ Deshalb hoffe sie auch darauf, dass sich im Fall der Bronzeschale der Zettelschreiber zu erkennen gibt. Dies würde die Nachforschungen nach deren Herkunft erleichtern. Säule, Engel und Bronzeschale werden nun einer Restaurierung unterzogen. Danach sollen sie dauerhaft im Rauch- und Arbeitszimmer aufgestellt werden, das während der Führungen durch Cecilienhof gezeigt wird. 

Erhart Hohenstein

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