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Brandenburg: Potsdamer Lepsiushaus: Türkische Diplomaten machen Druck auf Platzeck

Diplomatische Verwicklungen um das Potsdamer Lepsiushaus: Die Türkei übt offenbar auf Brandenburgs Landesregierung Druck aus, um die Einrichtung einer Gedenkstätte für den großen deutschen Theologen und Humanisten Johannes Lepsius zu verhindern. Lepsius (1858-1926) hatte den türkischen Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/16 dokumentiert, bei dem mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder getötet wurden - und den die Türkei bis heute offiziell bestreitet.

Diplomatische Verwicklungen um das Potsdamer Lepsiushaus: Die Türkei übt offenbar auf Brandenburgs Landesregierung Druck aus, um die Einrichtung einer Gedenkstätte für den großen deutschen Theologen und Humanisten Johannes Lepsius zu verhindern. Lepsius (1858-1926) hatte den türkischen Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/16 dokumentiert, bei dem mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder getötet wurden - und den die Türkei bis heute offiziell bestreitet. Das ARD-Magazin "Report" warf Ministerpräsident Manfred Stolpe und Potsdams Oberbürgermeister Matthias Platzeck (beide SPD) am Montagabend vor, sich aus Opportunitätsgründen dem Druck zu beugen: Nachdem sie zunächst für das Projekt geworben hätten, liege es jetzt auf Eis: Fördermittel würden nicht bewilligt, man hülle sich in Schweigen. Laut "Report" soll Platzeck "massive Drohungen, auch von offizieller türkischer Seite" erhalten haben.

Platzeck bestätigte das so allerdings nicht: Richtig sei, dass der türkische Gesandte ihn aufgesucht und Bedenken vorgetragen habe, sagte er dem Tagesspiegel. Es seien auch Briefe eingetroffen, doch habe es keine "massiven Drohungen" gegeben. Auch die Staatskanzlei bestritt, dass Ministerpräsident Stolpe unter dem Druck der Türken "eingeknickt" sei: Richtig sei, so der Vize- Regierungssprecher Manfred Füger, dass die Türkei keine offizielle Gelegenheit verstreichen lasse, ohne "das Problem Lepsiushaus" anzusprechen. Stolpe versuche, der türkischen Diplomatie die Sorge vor der geplanten Gedenk- und Begegnungsstätte zu nehmen. Er habe wie Armenien auch die Türkei eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen und zugesichert, dass daraus keine "Brutstäte für armenischen Extremismus" werde. Dass im Moment kein Geld für das Lepsiushaus vorhanden sei, habe nichts damit zu tun, "dass man der Türkei politisch entgegenkommt", so Füger.

Platzeck verwies darauf, dass die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Eigentümer des Hauses sei und nicht die Stadt. Warum die Stiftung nicht mit der Rekonstruktion des Hauses am Neuen Garten - in der Sichtachse des Belvederes - beginnt, war gestern nicht zu erfahren. Es hieß lediglich, man bemühe sich, "die Finanzierung zustande zu bringen". Das Kulturministerium bestätigte, dass ein Fördermittel-Antrag der Stiftung abgelehnt worden sei: Die Mittel hätten aus dem Programm "Dach und Fach" des Bundes kommen sollen. Angeblich soll das Förderkriterium "akut vom Verfall bedroht" bei der Lepsiusvilla nicht gegeben sein. Auch werde die Stiftung, die über einen Investitionsetat von 26 Millionen Mark jährlich verfüge, selbst gefördert. Und Doppelförderung sei nicht üblich.

Unterdessen bekräftigte der Vorsitzende des Fördervereins für das Lepsiushaus, Hans-Ulrich Schulz, dass ein Zusammenhang zwischen "der plötzlichen Zurückhaltung in Potsdam" und der türkischen Intervention "nicht auszuschließen" sei. "Wir waren auf gutem Weg, es bestand Einvernehmen, jetzt passiert nichts", sagte Schulz, der auch Generalsuperintendent der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg ist. Der Förderverein, der die Gedenkstätte aufbauen und betreiben will, habe "eine Flut von ähnlich formulierten Protestbriefen" gegen das Projekt erhalten. Der Vorwurf darin: Man lasse sich von den Armeniern instrumentalisieren. Versuche, türkische und armenische Diplomaten an einen Tisch zu bringen, scheiterten bisher. "Die Fronten sind verhärtet", hieß es im Umfeld Stolpes und Platzecks. Auch soll die türkische Seite bereits gegen die "Report"-Sendung interveniert haben. Auch das Auswärtige Amt in Berlin soll signalisiert haben, dass man kein Interesse an einer weiteren Eskalation habe. Die türkische Botschaft war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Wie leicht die Situation sich zuspitzen kann, zeigte im Frühjahr die türkische Reaktionen auf die Entscheidung des französischen Parlaments, den Armenier-Mord offiziell zum Genozid zu erklären. Die Türkei boykottierte daraufhin französische Firmen, schloss sie von Ausschreibungen aus.

Michael Mara

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