zum Hauptinhalt

Brandenburg: Prignitzer Eisenbahn: Auf der Erfolgsschiene

Durch die Hupe des Triebwagens lässt sich das Reh am Gleis nicht aus der Ruhe bringen. Erst beim zweiten Versuch dreht es leicht den Kopf und läuft in den Wald zurück.

Durch die Hupe des Triebwagens lässt sich das Reh am Gleis nicht aus der Ruhe bringen. Erst beim zweiten Versuch dreht es leicht den Kopf und läuft in den Wald zurück. Der Lokführer lächelt in den Rückspiegel zu seinen Fahrgästen, für deren Mehrzahl die tierische Einlage zwischen Putlitz und Pritzwalk offenbar nichts Besonderes ist. Bei einem "Tempo" von zehn Kilometern pro Stunde besteht ohnehin keine Gefahr für das Reh. Nur die auswärtigen Gäste blicken etwas verdutzt. Eine Fahrt mit der Prignitzer Eisenbahn im Brandenburger Nordwesten hält offenbar immer noch viele Überraschungen bereit, als ob die nostalgischen Fahrzeuge und ein überaus freundliches Personal nicht schon genug aus dem Rahmen fallen würden. Kaum zu glauben, dass die Prignitzer zu den erfolgreichsten deutschen Privateisenbahnen gehören. Im Osten sind sie ohnehin Spitze.

Vor fünf Jahren startete das Unternehmen mit vier Enthusiasten, um eine einzige Strecke vor der Stilllegung zu bewahren. Heute verdienen 130 Frauen und Männer hier ihr Brot. Die blauen Triebwagen mit dem Sonnen-Logo verkehren inzwischen auf einem rund 200 Kilometer langen Streckennetz, unter anderem nach Kyritz, Neustadt (Dosse), Neuruppin, Meyenburg und Rathenow. Dazu kommen Güterzüge quer durch Deutschland. Ab Dezember 2002 übernehmen die Brandenburger zwei Regionalbahnlinien im Rhein-Ruhr-Gebiet. Vier Konkurrenten, darunter die Deutsche Bahn AG, wurden in einer Ausschreibung geschlagen. Ein günstiger Preis und ein schlüssiges Servicekonzept hatten den Ausschlag gegeben.

Nun wollen die Prignitzer auch außerhalb Deutschlands Geschäfte machen. In Österreich wurde kürzlich eine Tochtergesellschaft gegründet. Nun soll der große Wurf in Belgien gelingen. Eine Delegation der "Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens" nahm die ungewöhnliche Eisenbahngesellschaft in der vergangenen Woche unter die Lupe. Auch bei der Testfahrt nach Pritzwalk war auf die Rehe neben dem Gleis Verlass. "Das haben Sie prima organisiert", meinte der belgische Kultur- und Tourismusminister Bernd Gentges lächelnd zum Geschäftsführer des gastgebenden Unternehmens, Thomas Becken. "Sie sind wohl doch der richtige Partner für uns." Konkret ging es in den Gesprächen um die 40 Kilometer lange Venn-Bahn im Grenzgebiet zu Deutschland. Sie wird vorrangig für touristische Fahrten genutzt. "Wir sind im Internet auf die Prignitzer Eisenbahn gestoßen", sagte Gentges.

Geschäftsführer Becken nennt vor allem zwei Gründe für den Erfolg: "Wir leisten uns nur einen kleinen Verwaltungsapparat und betanken als weltweit erstes Unternehmen unsere Fahrzeuge mit Pflanzenöl", erklärt der gelernte Lokführer. Achtzig Pfennige kostet der Liter, weniger als die Hälfte des sonst gebräuchlichen Dieselöls. Nur das von der Deutschen Bahn AG gemietete Streckennetz bereitet ihm Sorgen. "Sie verlangt für jeden Kilometer zwischen sechs und 15 Mark Trassengeld. Aber Nebenstrecken werden kaum instandgesetzt", kritisiert Becken. So sei ein Ende der Schleichfahrten zwischen Putlitz und Pritzwalk noch nicht abzusehen. Die auswärtigen Fahrgäste nehmen es gelassen. Denn wo sonst grasen Rehe am Gleis?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false