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Brandenburg: Prozess gegen XY-Bande beginnt voraussichtlich im Mai Über 150 Zeugen sollen gegen acht Anführer der Neuruppiner Mafia aussagen Verteidiger rechnen mit Dauer des Verfahrens bis ins nächste Jahr

Neuruppin - Der Prozess gegen die Köpfe der so genannten XY-Bande von Neuruppin beginnt mit hoher Wahrscheinlichkeit am 3. Mai.

Neuruppin - Der Prozess gegen die Köpfe der so genannten XY-Bande von Neuruppin beginnt mit hoher Wahrscheinlichkeit am 3. Mai. Das erwarten jedenfalls die Anwälte der acht Angeklagten. Offiziell will die zuständige Strafkammer des Landgerichts Neuruppin heute oder spätestens am Donnerstag ihren Beschluss über die Zulassung der Anklage und den Termin der Hauptverhandlung verkünden. Gerichtssprecher Frank Jüttner erklärte gestern, dass alles für die Prozesseröffnung am 3. Mai spreche. Den acht Männern werde unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwere räuberische Erpressung, unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels, unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Bestechung vorgeworfen. Ihren Namen gab sich die Bande selbst; ihre Mitglieder bevorzugten auf den Nummernschildern ihrer Autos die Buchstabenkombination „XY“.

In der Brandenburgischen Justizgeschichte seit der Wende gab es keinen vergleichbaren Prozess. Wie aus Justizkreisen verlautete, sind allein von der Staatsanwaltschaft mehr als 150 Zeugen benannt worden. Die Anklageschrift soll 95 Seiten lang sein. Einige Verteidiger rechnen mit bis zu 100 Verhandlungstagen. Deshalb ist mit einem Ende wahrscheinlich in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen, selbst wenn wie geplant jeden Montag und Dienstag verhandelt würde.

Bei einer Verurteilung müssen zumindest die Rädelsführer mit langen Freiheitsstrafen rechnen. Experten erwarten, dass die Staatsanwaltschaft mindestens zehn Jahre Haft fordern wird. Sechs der Angeklagten sind vorbestraft. Seit ihrer Festnahme im August vergangenen Jahres sitzen die Männer im Alter zwischen 30 und 43 Jahren in Untersuchungshaft.

Insgesamt ermittelt das Landeskriminalamt gegen rund 100 Verdächtige aus Neuruppin. Mehrere Prozesse gaben bereits Aufschluss über die in strenger Hierarchie organisierte Bande. So berichtete ein zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilter 37-Jähriger, wie er im Jahre 2001 von den Köpfen der Bande mehrere Kilogramm Kokain erhalten habe. Er streckte die Droge mit Milchpulver und stellte 100-Gramm-Päckchen her. Außerdem lieferte er Tüten voller Ecstasy-Pillen in eine Kneipe, wo er sie im Spülkasten der Damentoilette versteckte. Monatlich 3000 Mark erhielt er nach eigenen Angaben für seine Dienste.

In seinem Geständnis belastete der zuletzt ein Tattoo-Studio betreibende Mann den Hauptangeklagten Olaf K. schwer. Dieser sei der Kopf der Bande gewesen. Der 36-jährige K. saß als CDU-Abgeordneter im Stadtparlament und leitete hier den Finanzausschuss. Seit K.s Verhaftung im August 2004 sind die Christdemokraten in Neuruppin heftig zerstritten. Bei der Neuwahl des Bürgermeisters Anfang 2005 stellten sie nicht einmal einen Kandidaten auf. Die Neuruppiner entschieden sich in einer Stichwahl für den unabhängigen Kandidaten Jens-Peter Golde.

Golde kündigte ein hartes Durchgreifen gegen Korruption an und traf gleich nach seinem Amtsantritt vor zwei Wochen eine entsprechende Entscheidung. Er entließ eine Mitarbeiterin des Gewerbeamtes wegen ihrer mutmaßlichen Verstrickung in die Geschäfte der XY-Bande fristlos. Die Frau war wegen Bestechlichkeit bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Sie hatte von Olaf K. unter anderem Schmiergeld erhalten, damit er seine Spielautomaten auch nach der Sperrstunde betreiben konnte – in einer Spielothek, die anfangs gar keine Konzession besaß.

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