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Prozess: Verhungerter Florian – Prozess wird wiederholt

Der Bundesgerichtshof verwarf das Urteil wegen eines Formfehlers des Richters: Der angeklagte Vater aus Frankfurt hatte nicht das letzte Wort.

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder) - Wegen eines Formfehlers des Gerichts muss der Prozess gegen Manuel D. noch einmal stattfinden. Der 21-Jährige war im August 2008 wegen Tötung seines kleinen Sohnes Florian zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Der Fall hatte landesweit Entsetzen ausgelöst: Florian wurde nur sechs Monate alt, der in Frankfurt (Oder) geborene Junge verhungerte qualvoll, weil seine Eltern sich nicht um ihn kümmerten. Das Landgericht Frankfurt sprach die 20-jährige Mutter Ulrike D. und den 21-jährigen Vater Manuel D. im August 2008 des gemeinschaftlichen Totschlags durch Unterlassen in Tateinheit mit der Misshandlung von Schutzbefohlenen für schuldig. Ulrike D. erhielt eine Jugendstrafe von sieben Jahren, Manuel D. zehn Jahre Haft.

Dass der Bundesgerichtshof dieses Urteil jetzt aufhob, hat nur einen Grund: Der Vorsitzende Richter hatte vergessen, Manuel D. das „letzte Wort“ zu erteilen. „Es war ein Fehler“ sagte ein Sprecher des Landgerichts am Freitag und versuchte, das Versehen zu erklären: „Der Richter hatte dem Angeklagten bereits das letzte Wort erteilt. Dann stellte dessen Verteidiger überraschend noch einen Antrag, den das Gericht beriet und entschied. Danach hätte Manuel D. noch einmal das letzte Wort erteilt werden müssen.“

Der Verteidiger von Manuel D., Denis Matthies, macht keinen Hehl daraus, dass er den Formfehler bewusst provozierte: „Man legt bestimmte Sachen an, um Revisionsgründe zu erlangen“, sagte er dem Tagesspiegel. Matthies hofft darauf, dass im neuen Prozess eine kürzere Haftstrafe für seinen Mandanten herauskommt.

Dabei war schon das damalige Urteil von der Deutschen Kinderhilfe als „zu milde“ kritisiert worden. Der Vorsitzende der Kinderhilfe bezeichnete es als „an Zynismus nicht zu überbieten, dass die Richter nicht das Mordmerkmal der Grausamkeit erkannten“. Dies sei schon deshalb erfüllt, weil die Mutter die Schreie ihres Kindes einfach überhörte.

Die Staatsanwaltschaft hatte Florians Eltern wegen Mordes angeklagt und – nachdem das Gericht sie wegen Totschlags verurteilte – zunächst Revision beantragt, diese später aber wieder zurückgezogen.

Manuel D. hatte im Prozess erklärt, er habe Florian geliebt und ihn meist auch versorgt. Er habe aber nie damit gerechnet, dass seine Frau sich überhaupt nicht um Florian kümmerte, wenn er nicht da war. Ulrike D. hatte gesagt, sie sei mit dem Kind überfordert gewesen und habe sein Weinen oft ignoriert, um eine Zigarette fertig zu rauchen oder ein Spiel auf der Playstation zu Ende zu bringen. Die junge Frau war bis zu ihrem 18.Geburtstag vom Jugendamt betreut worden – unter anderem wegen Depressionen. Weil sich das Amt dann nicht mehr um sie kümmerte, war es in die Kritik geraten.

Das Urteil gegen Ulrike D. ist rechtskräftig, wann gegen Manuel neu verhandelt wird, steht noch nicht fest. Das brandenburgische Justizministerium wollte sich zu dem Gerichtsfehler nicht äußern. Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg sagte dem Tagesspiegel: „Auch wenn es bitter ist, dass der Prozess mit allen Kosten neu aufgerollt werden mus – das Recht des letzten Wortes ist ein Kernstück der Strafprozessordnung und darf nicht aufgeweicht werden. Da müssen die Richter und Staatsanwälte eben aufpassen, dass solche Fehler nicht geschehen.“

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