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Brandenburg: Rätzels große Rätsel

Die Cottbuser Oberbürgermeisterin könnte am Sonntag abgewählt werden Die Frage ist aber, ob die dafür nötigen 22 000 Stimmen zusammenkommen

Von Sandra Dassler

Cottbus - Am kommenden Sonntag könnten gerade die Cottbuser Nichtwähler ihrer parteilosen Oberbürgermeisterin die besten Argumente in ihrem endlosen Streit mit den Stadtverordneten liefern – indem sie wiederum nicht zur Wahl kommen. Seit Wochen verkünden Plakate den Termin, den manche für einen der wichtigsten in der 850-jährigen Stadtgeschichte halten: „2. Juli“ steht an Bäumen, Häusern und Bauzäunen. Am 2. Juli sollen die Cottbuser ihre Oberbürgermeisterin in die Wüste schicken. Allerdings müssten dazu mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten, das entspricht rund 22 000 Stimmen, dem Abwahlantrag zustimmen. Zwar treten alle politischen Parteien und Vereinigungen geschlossen für Rätzels Abwahl ein – eine ziemlich einmalige Situation in Deutschland. Aber viele bezweifeln, dass es dazu kommen wird – bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2003 kam nur etwas mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten an die Urnen.

Dabei hatten sich in den vergangenen Monaten Anfragen erboster Einwohner an die Stadtverordneten gehäuft. Die Bürger ärgerten sich über Gebührenerhöhungen für Müll, Trink- und Abwasser, vor allem aber über die Krise der Cottbuser Stadtwerke. Die waren am Jahresende nur knapp einer Insolvenz entgangen. Dafür musste allerdings viel kommunales Geld in das marode Unternehmen gepumpt werden und für die Bürger erhöhten sich die Preise für Fernwärme um vier Prozent. Karin Rätzel ist Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke, will aber von den Problemen erst im Frühjahr 2005 erfahren haben.

Außerdem werfen die Stadtverordneten der Oberbürgermeisterin vor, dass es entgegen ihren Wahlversprechen noch immer kein Innenstadtkino und kein innerstädtisches Einkaufszentrum gibt. Die Kooperation mit der Universität und den Hochschulen sei ebenso mangelhaft wie die Wirtschaftsförderung und die Personalpolitik.

Mangelnde Kompetenz und schlechten Führungsstil beklagen die Cottbuser Stadtverordneten überdies und stellten kürzlich gar einen Strafantrag gegen ihre Oberbürgermeisterin. Der Vorwurf: Betrug und Untreue zulasten des städtischen Haushalts. Rätzel soll einen Beratervertrag mit einem Anwaltsbüro eigenmächtig verlängert und das monatliche Honorar von 1250 auf 7500 erhöht haben. Karin Rätzel hat bislang alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Nachdem die damalige Finanzdezernentin im Jahr 2000 von den Stadtverordneten abgewählt worden war, trat sie zwei Jahre später als OB–Kandidatin an und gewann überraschend die Stichwahl. Dabei gab wohl ihr Versprechen den Ausschlag, konsequent die „alten Seilschaften und den Filz“ in der Stadt zu bekämpfen. Vier Jahre später scheint „der Filz“ größer zu sein als je zuvor: Die in Cottbus erscheinende Lausitzer Rundschau überraschte am Mittwoch ihre Leser mit Enthüllungen über die Finanzierung von Rätzels Wahlkampf vor vier Jahren, ominöse Bündnisse meldeten sich zu Wort; Rätzels Anwälte erstatteten Anzeige gegen die Fraktionschefs der Stadtverordnetenversammlung. Statt das erhoffte reinigende Gewitter erlebt Cottbus eine Schlammschlacht. Sandra Dassler

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