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Brandenburg: Reaktion auf den Terror: Alte Feindbilder

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm formulierte ungewöhnlich moderat: Es gäbe "in den neuen Ländern nicht so viel Verständnis für die USA wie in den alten", was daran liege, dass die Vereinigten Staaten zu "DDR-Zeiten anders gesehen wurden." Tatsächlich hat die SED-Propaganda den DDR-Bürgern die USA mehr als 40 Jahre lang als die "Hauptmacht des Imperialismus", die Inkarnation des "Klassenfeinds" dargestellt.

Von Sandra Dassler

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm formulierte ungewöhnlich moderat: Es gäbe "in den neuen Ländern nicht so viel Verständnis für die USA wie in den alten", was daran liege, dass die Vereinigten Staaten zu "DDR-Zeiten anders gesehen wurden." Tatsächlich hat die SED-Propaganda den DDR-Bürgern die USA mehr als 40 Jahre lang als die "Hauptmacht des Imperialismus", die Inkarnation des "Klassenfeinds" dargestellt. Das hat bei vielen Wirkung gezeigt: Mit Amerika verbanden sie eben nicht Marschall-Plan und Luftbrücke, sondern Atombombenabwurf und Hochrüstung.

Hat sich dieses Weltbild in den vergangenen elf Jahren verändert? Oder sitzt der Anti-Amerikanismus immer noch in den Hirnen und Herzen der Ost-Berliner und vor allem der Brandenburger, wie das SFB-Magazin "Kontraste" am Donnerstag mit der Befragung von lediglich zwei PDS-Mitgliedern vermitteln wollte?

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Umfrage: Haben Sie Angst vor den Folgen des Attentats? Fotostrecke I: Der Anschlag auf das WTC und das Pentagon Fotostrecke II: Reaktionen auf die Attentate Fotostrecke III: Rettungsarbeiten in New York Fotostrecke IV: Trauerkundgebung am Brandenburger Tor Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 gilt als der Hauptverdächtige Die Reaktionen nach dem Terrorangriff lassen andere Schlüsse zu: Auch in Potsdam oder Cottbus versammelten sich die Menschen. Sie weinten mit den Angehörigen der Opfer, sie verurteilten die Schuldigen und forderten ihre konsequente Bestrafung. Und doch verrät die Einschätzung von Bildungsminister Steffen Reiche, die Brandenburger hofften, dass die Amerikaner "nicht blind losschlügen", eine größere Skepsis gegenüber der USA-Politik als gemeinhin im Westen. Verwundern kann das nicht. Eine ältere Teilnehmerin der Berliner Großkundgebung vom Freitag, die extra aus Brandenburg angereist war, gab zu, dass sie sich "jetzt erstmals dem amerikanischen Volk nahe fühlt". Nur wenige Neu-Bundesbürger hatten bislang Gelegenheit, die USA genauer kennenzulernen, eigene Erfahrungen in diesem Land zu sammeln. Fast vergessen ist, dass die PDS, die kurz nach der Wende auch in den neuen Ländern verpönt war, unter anderem deshalb überlebte, weil sie 1991 den Golfkrieg strikt verurteilte und damit viele Ostdeutsche - wieder - auf ihre Seite zog.

Kann sich das wiederholen? Sicher nicht, wenn die PDS in plumper Manier versuchen sollte, alte Feindbilder wiederzubeleben. Dass einige Mitglieder immer noch vom "Aggressor USA" sprechen oder angesichts des tausendfachen menschlichen Leids in New York meinen, die USA müssten sich über die Attacken nicht wundern - dasempört auch ehemalige DDR-Bürger. Sie wehren sich jedoch zu Recht dagegen, als Bevölkerungsgruppe pauschal mit Äußerungen Einzelner gleichgesetzt zu werden.

Ebenso falsch wäre aber auch, über die realen Ängste vieler Ostdeutscher bezüglich der USA-Politik einfach hinwegzugehen. Schließlich ist das Vertrauen der Westdeutschen in die (amerikanische) Demokratie auch nicht über Nacht entstanden. Wie sehr sich die Menschen in Brandenburg und in den anderen neuen Ländern mit der demokratischen, westlichen Gesellschaft identifizieren, hängt sicher zum Teil von der Reaktion der USA auf das furchtbare Verbrechen vom vergangenen Dienstag ab. Vor allem aber davon, wie besonnen und ehrlich die öffentliche Diskussion darüber hierzulande geführt wird. Das Aufwärmen alter Feindbilder, ob bei der PDS oder in einem Berliner Fernsehsender, ist da wenig hilfreich.

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