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Brandenburg: Rechtsextremismus: Hetzjagd-Prozess: War es Mord?

In ihren Augen war es ein rassistisches Tötungsverbrechen: am zweiten Tag der Plädoyers im "Hetzjagd-Prozess" am Landgericht Cottbus haben die Anwältinnen der Nebenkläger eine angemessene Verurteilung der elf Angeklagten gefordert. Ihnen wird vorgeworfen, im Februar 1999 drei Afrikaner durch die Straßen von Guben im verfolgt zu haben.

Von Frank Jansen

In ihren Augen war es ein rassistisches Tötungsverbrechen: am zweiten Tag der Plädoyers im "Hetzjagd-Prozess" am Landgericht Cottbus haben die Anwältinnen der Nebenkläger eine angemessene Verurteilung der elf Angeklagten gefordert. Ihnen wird vorgeworfen, im Februar 1999 drei Afrikaner durch die Straßen von Guben im verfolgt zu haben. Dabei kam der Asylbewerber Farid Guendoul alias Omar Ben Noui ums Leben. Ein konkretes Strafmaß nannten die Anwältinnen jedoch nicht. Sie hielten vielmehr der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Strafkammer gravierende Mängel bei der Aufklärung des Tatgeschehens vor. Dies erschwere die strafrechtliche Bewertung.

Bei der Hetzjagd auf drei Flüchtlinge in Guben war, wie berichtet, in der Nacht zum 13. Februar 1999 der Algerier Farid Guendoul in eine Glastür gesprungen. Dabei zog er sich so schwere Schnittverletzungen zu, dass er verblutete. Die Anwältinnen vertreten insgesamt drei Nebenkläger - einen Bruder von Guendoul sowie die bei der Hetzjagd ebenfalls attackierten Afrikaner Khaled Bensaha und Issaka Kaba. In den Plädoyers, die alle einen ähnlichen Tenor hatten, gingen die Juristinnen über die Tatbewertung der Staatsanwaltschaft deutlich hinaus. Diese hatte vergangene Woche eine Verurteilung der heute zwischen 18 und 21 Jahre alten Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung sowie weiterer Delikte gefordert. Die Staatsanwaltschaft hält Jugendstrafen zwischen neun Monaten auf Bewährung und dreieinhalb Jahren, letzteres allerdings unter Einbeziehung ganz anderer, schwerwiegender Taten, für ausreichend.

Dass der gewaltsame Tod von Farid Guendoul als vorsätzlich begangene, rassistische Tat und damit als Mord gewertet werden könnte, begründete Anwältin Christina Clemm folgendermaßen: die elf Angeklagten seien durch ihr damaliges Auftreten eindeutig als zur Gewalt bereite Rechtsextremisten zu erkennen gewesen. Die gesamte Gruppe habe auch gewusst, welche Angst sie bei potenziellen Opfern auslösen würde. Außerdem sei den Angeklagten klar gewesen, dass "eine Hetze mit Autos äußerst gefährlich ist", sagte Clemm. Die Clique habe überdies in Kauf genommen, dass sich der bei der Verfolgung verprügelte Algerier Khaled Bensaha lebensgefährliche Verletzungen zuziehen würde. Laut Clemm hat sich zudem ein Teil der Angeklagten vor der Tat mit einem rassistischen Video und rechtsextremer Skinhead-Musik in Stimmung gebracht.

Die aufgezählten Punkte belegen nach Meinung der Anwältin, "dass die Angeklagten einen Tötungsvorsatz hatten". Dennoch hätten in dem Verfahren weit mehr typische Merkmale genannt werden können, wenn die Ermittlungsbehörden in ihrer Arbeit nicht "massive Fehler" gemacht hätten. Die Polizei habe beispielsweise zugelassen, dass sich die Angeklagten nach der Festnahme absprechen konnten, außerdem seien keine ordentlichen Einsatzberichte geschrieben worden. Die Staatsanwaltschaft habe "keinerlei Interesse gezeigt, die Motivation der Angeklagten zu erforschen", sagte Clemm. "Es hätte noch sehr viel mehr über den politischen Hintergrund herausgefunden werden können, wenn die Staatsanwaltschaft das gewollt hätte." Auch die Strafkammer unter Vorsitz von Landgerichtspräsident Joachim Dönitz müsse sich fragen lassen, "ob sie alles Erdenkliche getan hat, den Vorsatz zu ermitteln".

Das Verhalten einiger Verteidiger in dem Prozess wurde von Clemm ebenfalls scharf kritisiert. Diese Anwälte hätten das Tatgeschehen bagatellisiert und die Opfer diffamiert. Es sei fatal, dass gerade ein Jugendverfahren "so sehr unter der Gürtellinie geführt wird", sagte Clemm und beklagte die von den Angeklagten zur Schau gestellte Gefühllosigkeit. Anwalt Achim Schmidtke, er vertritt den Angeklagten Marcel P., schien danach Clemm bestätigen zu wollen - in seinem Plädoyer sagte er, die seinem Mandanten zur Last gelegte Schändung des Gubener Gedenksteins für den toten Farid Guendoul - Marcel P. hatte im vergangenen Februar Blumen auf dem Stein zertrampelt - sei "aus verständlichem Frust über die Dauer des Verfahrens" passiert. Zum Tode Guendouls meinten Schmidtke und der andere Verteidiger von P., ihr Mandant sei vollkommen unschuldig.

Vor den Plädoyers hatten sich die beiden Begleiter von Farid Guendoul zu Wort gemeldet. Khaled Bensaha und Issaka Kaba sprachen vor allem über ihre unvermindert anhaltenden Angstzustände. Selbst am helllichten Tag traue er sich kaum, das Flüchtlingsheim zu verlassen, sagte der aus Sierra Leone stammende Kaba.

Die Angeklagten, vier von ihnen ganz kurz geschoren, nahmen alle Äußerungen ohne größere Regungen zur Kenntnis. Einige grinsten, andere gähnten. Der Prozess wird am Donnerstag mit weiteren Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt. Das Urteil ist voraussichtlich Ende Oktober oder Anfang November zu erwarten.

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