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Matthias Platzeck

© ddp

Regierungskoalition: Linken-Chef macht der SPD Avancen

In elf Kreisen wären rot-rote Bündnisse möglich. Wahrscheinlich sind diese jedoch nicht. Brandenburs Ministerpräsident Matthias Platzeck erwarte durch die CDU-Niederlage keine Belastung der Koalition.

Potsdam - Die Kommunalwahlen sind kaum vorbei – und die Blicke der Parteien richteten sich schon auf die Landtagswahl in einem Jahr. Nach ihrem knappen Wahlerfolg stellen sich die von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführten Sozialdemokraten ebenso wie die erstarkte Linkspartei auf eine rot-rote Auseinandersetzung ein. Die Union dagegen war – wie zuletzt immer – wieder nur auf Platz drei gekommen und hat ihre bisherige Vormachtstellung in den Landkreisen verloren. Eine Gefährdung für das SPD/CDU-Regierungsbündnis, etwa auch durch Querelen in den Reihen des Koalitionspartners, sieht Ministerpräsident Platzeck dennoch nicht.

Wie Platzeck am Montag vielmehr hervorhob, stimme es ihn für die kommenden Abstimmungen – Europawahl im Frühjahr-, Bundes- und Landtagswahl im Herbst 2009 – optimistisch, dass die Beteiligung an der Kommunalwahl mit 50,3 Prozent deutlich über der von 2003 (45,8 Prozent) lag. Im Vergleich zu damals hätten 100 000 Brandenburger mehr ihre Stimme abgegeben. Zum Abschneiden der SPD sagte Platzeck: „Die Landkarte Brandenburgs hat sich wieder deutlich sozialdemokratisch eingefärbt“: Das „Fundament“, von dem aus die SPD in die nächsten Wahlen gehen könne, sei nach der jüngsten Kommunalwahl besser als 2003. Nach dem vorläufigen Endergebnis der Wahl der vierzehn Kreistage und vier Stadtverordnetenversammlungen – die Gemeindeparlamente werden noch ausgezählt – kommen die Sozialdemokraten auf 25,8 Prozent, womit sie vor der Linken liegen. Diese kam auf 24,7 Prozent, die CDU auf 19,8 Prozent. Platzeck hob hervor, dass die SPD nicht nur in zehn Landkreisen wieder stärkste Kraft wurde, sondern auch in allen vier großen Städten deutliche Zugewinne erzielte. Zudem habe die SPD auch in Cottbus und der Lausitz – trotz der Debatten um den Braunkohleabbau – zugelegt.

Zwar wollten weder Platzeck noch Linksparteichef Thomas Nord direkte Rückschlüsse aus der Kommunalwahl auf die Landtagswahl und ein mögliches rot-rotes Bündnis in Brandenburg ziehen. Dies sei eine Lehre aus der Wahl 2003, die die Union gewonnen hatte, die Landtagswahl 2004 dennoch klar verlor. Trotzdem hat die Abstimmung von Sonntag bereits erste Auswirkungen. So wies Linkenchef Nord nach dem „überraschend guten Ergebnis“ seiner Partei demonstrativ darauf hin, dass rechnerisch in elf Kreistagen jetzt rot-rote Bündnisse möglich wären – was auch aus seiner Sicht eine Weichenstellung für das Land bedeuten würde. „Hier kann die SPD zeigen, ob sie zu Korrekturen ihrer Politik bereit ist.“ Er fügte hinzu: „Eine SPD, die keinen Grund sieht, ihre Politik zu ändern, ist für uns kein Koalitionspartner.“

Für den Linke-Chef gibt es dabei durchaus einen logischen Zusammenhang zwischen Regierungskoalition und Kreisbündnissen: „Eine Landesregierung sollte eine gewisse Basis im Land haben.“ Dagegen stellte Platzeck erneut klar, dass die SPD-Unterbezirke für die Koalitionsbildung in den Kreistagen freie Hand hätten – was auch für rot-rote Bündnisse gelte. Ausdrücklich erwähnte Platzeck die Stadt Brandenburg an der Havel, wo sich die CDU zwar als stärkste Kraft behauptete, es aber aus Sicht Platzecks neue Verhältnisse im Rathaus gibt: „SPD und Linkspartei sind stärker als Schwarz- Gelb.“ Die Sozialdemokraten wollen vor der Landtagswahl bei ihrer Linie bleiben, sich nicht auf eine Fortführung der rot- schwarzen Koalition oder einen Wechsel zu Rot-Rot festzulegen, sondern sich beide Optionen offen zu halten. SPD-Generalsekretär Klaus Ness sagte: „Es gibt keine Änderung der Strategie. Es gibt keine Koalitionsaussage.“

Potsdam - Die SPD könne mit dem Ergebnis der Kommunalwahlen in Brandenburg zufrieden sein, meint der Politologe Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin. „Zwar hatten sich die Sozialdemokraten mehr erwartet“, sagte er gestern dem Tagesspiegel. „Aber sie haben ihr Ziel erreicht und sind wieder stärkste Kraft im Land geworden.“ Der Politologe führt das allerdings auch darauf zurück, dass es diesmal keinen „bundespolitischen Gegenwind“ gegeben habe. Vor fünf Jahren sei die brandenburgische SPD von den Wählern auch für die Sozial- und Agendapolitik der rot-grünen Bundesregierung abgestraft worden.

Deshalb habe die CDU bei den Kommunalwahlen 2003 auch vergleichsweise gut abgeschnitten, sagte Niedermayer. Die herben Verluste diesmal hätten sich die Christdemokraten aber selbst zuzuschreiben: „Wer ein solches Bild der Zerstrittenheit abgibt, muss sich nicht wundern, wenn der Wähler sich abwendet.“

Keine Entwarnung kann es laut Niedermayer in Sachen Rechtsextremismus geben. Zwar schienen die 3,4 Prozent für NPD und DVU auf den ersten Blick nicht dramatisch – vor allem im Vergleich mit den teilweise zweistelligen Stimmgewinnen im Nachbarland Sachsen. „Aber die NPD verfolgt offenbar eine längerfristige Strategie“, sagte Niedermayer: „Noch haben sie in Brandenburg zu wenig Personal und Strukturen, aber wenn sie ein Bundesland nach dem anderen aufrollen, muss man wachsam sein.“

Deshalb sei es auch gut, dass etwas mehr Bürger als 2003 zur Wahl gegangen seien, sagte Niedermayer. Auf kommunaler Ebene könne man am leichtesten etwas verändern und verbessern. Insofern sei es keine Überraschung, dass so viele Wählervereinigungen erfolgreich abgeschnitten hätten. „Die können ohne Rücksicht auf irgendwelche Landes- oder Bundesvorstände von Parteien die Sorgen und Anliegen der Bürger aufgreifen und in den Städten und Gemeinden tatsächlich auch etwas erreichen.“

Der Wahlforscher Jürgen Dittberner von der Universität Potsdam sagte, dass sich Bürger in Wählergemeinschafen und unabhängigen Bündnissen zusammenschlössen, sei „nur gut für die parlamentarische Demokratie“. Er halte es für einen Fortschritt, wenn die Menschen versuchten, etwas auf politischem Weg zu erreichen, anstatt aus Protest Rechtsextreme zu wählen oder nicht wählen zu gehen.

Nach Ansicht beider Politologen sind die Erfolge der unabhängigen Bündnisse sowohl eine Aufgabe als auch eine Chance für die etablierten Parteien, obwohl diese ja in vielen Städten heute schon Sachpolitik betreiben würden. Sandra Dassler

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