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Brandenburg: Riskante Erblast

KOMMENTAR Von Michael Mara Ministerpräsident Matthias Platzeck, bereits 100 Tage im Amt, hat seine Regierungserklärung verschoben: Weil im Etat des laufenden Jahres plötzlich 770 Millionen Euro fehlen und 2003 mindestens noch einmal so viel. Er will erst Klarheit haben, was sich das Land künftig noch leisten kann, welchen finanzpolitischen Weg Brandenburg künftig gehen muss.

KOMMENTAR

Von Michael Mara

Ministerpräsident Matthias Platzeck, bereits 100 Tage im Amt, hat seine Regierungserklärung verschoben: Weil im Etat des laufenden Jahres plötzlich 770 Millionen Euro fehlen und 2003 mindestens noch einmal so viel. Er will erst Klarheit haben, was sich das Land künftig noch leisten kann, welchen finanzpolitischen Weg Brandenburg künftig gehen muss. Die Antwort gibt der „Benchmarking-Report“ des Frankfurter Uni-Professors Helmut Seitz, der Brandenburgs Ausgaben mit denen Sachsens und finanzschwacher West-Länder vergleicht. Auf den 125 Seiten kann man nachlesen, dass Brandenburg in fast allen Bereichen seit Jahren über seine Verhältnisse lebt – auf Pump. Es leistet sich mehr Regierungsbeamte, mehr Polizisten, mehr Lehrer, mehr kommunale Bedienstete, mehr Kindertagesstätten als Sachsen. Und das, obwohl immer neue Kredite aufgenommen werden, der Schuldendienst schon jetzt jeden zehnten Euro verschlingt – mehr als doppelt so viel wie in Sachsen. Dafür wurde im Freistaat mehr investiert: in die Infrastruktur, in die Wirtschaft, was sich auszahlt.

Dass unter Platzecks Vorgänger Stolpe die „kleine DDR“ faktisch fortexistierte, erweist sich für den neuen Regierungschef als riskante Erblast. Er muss bittere Wahrheiten aussprechen und vor allem den überfälligen Kurswechsel zu bezahlbaren Leistungen vollziehen. Gegen den Widerstand in der eigenen SPD, die die Realität bisher nicht wahrhaben will. Gegen eine politischen Mentalität in der Bevölkerung, die nicht nur von Staatsgläubigkeit geprägt ist, sondern auch von den alten sozialistischen Verteilprinzipien. Und schließlich gegen egoistische Interessen von Ministern, die „keinen Spielraum“ für Einschnitte sehen, weil sie sich von liebgewordenen „Spielwiesen“ nicht trennen wollen. Und nicht zuletzt gegen den Widerstand der Kommunen, die über eine schlechte Finanzausstattung jammern, obwohl diese im Vergleich zum Freistaat recht gut ist. Doch leben auch sie über ihre Verhältnisse. Dass bereits in zwei Jahren gewählt wird, macht die Operation für Platzeck nicht einfacher. Dennoch darf er sie nicht aufschieben, wenn das Land nicht weiter auf die Pleite zusteuern soll.

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