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Brandenburg: Ruppig, stur – und sehr erfolgreich

Senatsbaudirektor Hans Stimmann setzte am Potsdamer Platz seine Ideen durch – zum Vorteil Berlins

Berlin - Ohne Senatsbaudirektor Hans Stimmann sähe der Potsdamer Platz und damit die Berliner Mitte heute anders aus. Darüber waren sich rückblickend drei der führenden Planer und Entscheider einig: Der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, Bauherr Hans-Jürgen Ahlbrecht von Daimler-Chrysler und der Architekt Hans Kollhoff. Im voll besetzten Saal des Weddinger Lichtburg-Forums in der Gartenstadt Atlantic zogen die drei auf Einladung des Tagesspiegels eine Bilanz über ein Bauvorhaben, das nach Ansicht des Architekturkritikers Gerwin Zohlen weltweit einmalig ist.

Als Anfang der 90er Jahre die ersten Pläne für die Bebauung des Potsdamer Platzes geschmiedet wurden, reichten die Vorstellungen von gigantischen Hochhauskonzepten bis zu transparenten Glaspalästen. Die Investoren – Daimler, Sony, ABB, Hertie – wollten gewaltige acht Milliarden Euro investieren. Stadtplaner beschäftigten sich mit der Frage, wie das brachliegende Areal ästhetisch und funktional gestaltet werden solle. Das Konzept der „europäischen Stadt“ stand gegen Ideen der internationalen Geldgeber, die Hochhäuser und ein überdachtes und fensterloses Einkaufszentrum wollten.

Hans Kollhoff, der am Platz direkt gegenüber dem Sony-Glasturm ein Hochhaus mit einer Backsteinfassade baute, sprach von einem „Paradigmenwechsel“ und „entfesselter Dynamik“, die dieser leere Platz mitten in Berlin auslöste. Milliardensummen und fantastische Wachstumsprognosen – das neue Berlin schien tragfähig für jeden Traum. Die Träume der Geldgeber aber rieben sich an der Berliner Verwaltung. Mehr als einmal habe Daimler ein Ende seines Engagements erwogen, bekannte Ahlbrecht. Man hatte es zu tun mit Beamten, die in West-Berliner Zeiten niemals mit Großprojekten zu tun hatten, bestenfalls dann und wann den „Bau einer Gartenlaube“ genehmigten und mit den anspruchsvollen Plänen für den Potsdamer Platz überfordert gewesen seien. Teile des Areals seien schlicht schwarz gebaut worden, weil der Bau schneller voranschritt als die Ausstellung der notwendigen Papiere, sagte Ahlbrecht. Und mit Senatsbaudirektor Hans Stimmann gab es jahrelang hitzige Diskussionen, etwa über die Gestaltung der Potsdamer Platz Arkaden, die Stimmann offen, ohne Dach und mit typischen Berliner Alleebäumen wünschte, die sich die Investoren aber eher als geschlossene Shopping-Mall vorstellten. „Posemuckel“ nannten das die Investoren, die in anderen Ländern viel freier agieren konnten, sich aber letztlich doch Stimmanns Idee der „europäischen Stadt“ beugten.

Auch der Senat war mit Stimmann nicht immer glücklich, bekannte Diepgen. Es habe viele Beschwerden gegeben, nicht nur über seine rigide Ablehnung von Hochhausbebauung, seine kompromisslose Verteidigung der „Berliner Traufhöhe“ von 22 Metern, am Potsdamer Platz ausnahmsweise 35 Metern, sondern auch über seinen rauen Ton und – diese Erfahrung teilten die Diskutanten – seine bisweilen schlechten Manieren. Aus der heutigen Perspektive bewerten die damaligen Entscheider den Einfluss des unbeugsamen Stimmann allerdings anders. „Seine Rigidität war notwendig“, resümierte Diepgen, weil er es geschafft habe, die Bauherren des Potsdamer Platzes zu einer freundlichen und menschlichen Architektur zu bewegen. Bauherr Ahlbrecht bekennt, Stimmann habe bei aller Sturheit eine klare Vorstellung besessen, wie die einstige Brache zwischen Kulturforum und Alex aussehen sollte – anders als seine Senatoren, die ihre Entscheidungen häufig an tagesaktuellen Umfrageergebnissen ausgerichtet hätten und nicht an städtebaulichen Perspektiven. Der Potsdamer Platz sei gelungen, war sich das Podium einig, wenngleich noch nicht alles fertig sei. Ein Fußweg in die Staatsbibliothek sei vorbereitet, erinnerte Ahlbrecht, nur gebe es bis heute keinen Anschluss in den Scharoun-Bau an der Potsdamer Straße. Hier fehle noch ein Stück, um Kommerz und Kultur zu verbinden.

Christoph Lemmer

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