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Brandenburg: Schäferei: Die Seuche? Der Hirte fürchtet Tierdiebe mehr

In der vergangenen Nacht haben Wildschweine den Zaun um die Weide niedergerissen. 990 Schafen aus Märkisch-Oderland stand ein paar Stunden lang die Welt offen, aber sie haben es verpennt.

In der vergangenen Nacht haben Wildschweine den Zaun um die Weide niedergerissen. 990 Schafen aus Märkisch-Oderland stand ein paar Stunden lang die Welt offen, aber sie haben es verpennt. Genau so, wie man das bei Schafen erwartet.

Jetzt ist es zu spät, denn der Chef ist da: Frank Hahnel, ein gemütlicher 34-Jähriger mit Bart und Brille, steigt aus seinem Kombi. Drei Altdeutsche Hütehunde schwirren um ihn herum: Bolo, der stille Schwarze, Biene, die liebe Alte, und Maja, Bienes freche Tochter. Der Schäfer marschiert los, die Herde lärmend und kauend hinterher. Acht Kilo Gras frisst jedes Schaf - pro Tag. Als wäre das nicht schon Herausforderung genug, müssen sie auch noch die Bundesstraße 1 überqueren. Blökend staut sich das gewaltige Wollknäuel am Straßenrand. 1980 Augen beobachten den Boss. Der wartet auf eine Verkehrslücke. Schafe sind weder besonders schlau noch dickköpfig: Sie folgen ihrem "Leithammel" auf den Fuß und biegen nur bei besonders schönen Grasbüscheln in den halbhohen Kiefernwald ab. Die Hunde treiben sie zurück, und bald ist die nächste Weide erreicht.

Die Schafe verteilen sich auf den Wiesen. Auch die Hunde fressen Gras - wohl eine Art Berufskrankheit. Frank Hahnel stützt sich auf seinen selbstgeschnitzten Haselnuss-Stock und gähnt. "Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen", sagt er und meint dabei vor allem sich selbst. Es ist Lammzeit, unentwegt werden Schafe geboren. Noch kurz vor Mitternacht schaut der Schäfer nach dem Rechten. Morgens um drei steht er wieder auf, um den Neuankömmlingen ihren Platz im Stall zu sichern. Um acht beginnt dann der Arbeitstag.

Die ersten Lämmer sind schon vor Ostern in Berliner Kühlregalen gelandet. Um die Überlebenden kümmert sich heute ein Lehrling. Hahnel hat sogar zwei Auszubildende.

17 Mädchen und ein Junge hatten sich beworben. Jetzt soll Kathrin einen Pferch für die nächste Nacht aufbauen. 15 Rollen à 50 Meter Elektrozaun liegen im Auto.

Die Schafe sind dem Acht-Kilo-Soll inzwischen näher gekommen und legen sich zur Siesta nieder. Der Schäfer ist froh über die Wärme. Denn Wärme bekommt dem Virus nicht. Dem Virus, das die Maul- und Klauenseuche auslöst. Wobei Hahnel weniger Angst vor MKS als vor der Politik hat: "Das ist doch eine völlig sinnlose Tiervernichtung", sagt er leise. Zu DDR-Zeiten seien bei MKS einfach rigoros Sperrbezirke eingerichtet worden. Die leere Weide will sich der Schäfer nicht vorstellen. Er kann es nicht. "Manche von denen rennen mir schon seit fast zehn Jahren hinterher."

Kathrin hat inzwischen den Pferch fertig, der Schäfer ruft zum Aufbruch. 989 weiße Köpfe und ein schwarzer recken sich ihm entgegen. Es gibt wirklich nur ein schwarzes Schaf in der ganzen Herde. Es hat weiße Eltern und weiße Lämmer. "Weiß der Fuchs, woran das liegt."

Hahnel kommt nur selten zum Hüten. Meist muss er Futter holen, Klauen schneiden, Ohren kerben, Pferche bauen, Formulare ausfüllen. Wenigstens sind die Preise gerade ganz gut: knapp 120 Mark pro Lamm - für das Fleisch; die Wolle bringt schon lange nichts mehr ein. Hahnel isst selbst gern Lamm, aber er muss sich jedesmal überwinden, eins zu schlachten. Angst hat er vor allem vor Tierdieben. Einmal hat ihm im vorigen Jahr jemand im Roten Luch 25 Schafe gestohlen. Außerdem haben die Diebe viele Tiere in einen Graben gedrängt. Am nächsten Morgen fand Hahnel 80 jämmerlich erfrorene Schafe. "Die Polizei hat daraufhin eine Anzeige wegen Sachbeschädigung aufgenommen".

Der Pferch ist jetzt zu, die Schafe sind alle beisammen. Denkt der Schäfer jedenfalls, aber auf dem Weg zum Auto findet er noch ein Lamm im Wassergraben. Frank Hahnel nimmt es mit, weil es ihm krank vorkommt. Die 989 anderen Schafe sind einfach weitergezogen. Als Schäfer kann man sich eben nur auf sich selbst verlassen.

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