zum Hauptinhalt

Brandenburg: Schönböhm will V–Leute künftig besser kontrollieren

Trotz Ungereimtheiten und Pannen warnt der Innenminister vor einer „Skandalisierung“ des Verfassungsschutzes

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat sich auf der gestrigen Landtagssitzung hinter Verfassungsschutz-Chef Heiner Wegesin gestellt. Dieser war unter Druck geraten, weil er die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages nicht über den Verrat einer Razzia gegen die Neonazi-Szene durch einen V-Mann des Verfassungsschutzes informiert hatte. Nachdem die für die Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständige PKK eine Entschuldigung Wegesins akzeptiert hatte, warnte Schönbohm im Landtag davor, den Brandenburger Verfassungsschutz „zu skandalisieren“.

Er habe den Verfassungsschutz bei seinem Amtsantritt 1999 in einer „schwierigen Lage“ vorgefunden, sagte der Minister. Es hätte damals zahlreiche rechtsextremistische Straftaten gegeben, aber kaum Verbindungsleute in der Szene. Der Zugang sei praktisch gleich Null gewesen. Wegesin habe den Verfassungsschutz in den letzten Jahren neu aufgebaut, seine Arbeit sei wesentlich verbessert worden. Die notwendige Anwerbung von V-Leuten habe aber auch zu Pannen geführt, gestand Schönbohm ein. Er habe sie analysieren lassen und ein Maßnahmenbündel veranlasst, damit „unnötige Risiken vermieden werden“, so der Minister.

Obwohl die PKK sich in der jüngsten Affäre hinter den Verfassungsschutz gestellt habe, blieben Ungereimtheiten, hieß es gestern am Rande der Landtagssitzung in der Koalition. Als schwerwiegend wird vor allem angesehen, dass in der jüngsten Affäre offenkundig der V-Mann-Führer des Verfassungsschutzes den Spitzel über die bevorstehende Razzia gegen die Neonazi-Szene informierte, die im Zusammenhang mit dem Brandanschlag gegen den Jüdischen Friedhof in Potsdam stand. Hinzu kommt, dass der V-Mann trotz des bereits im Februar 2001 erfolgten Verrats dem Vernehmen nach erst eineinhalb Jahre später abgeschaltet wurde. Auch PKK-Chef Christoph Schulze sagte gestern dieser Zeitung, dass es wegen neuer Hinweise noch Klärungsbedarf gebe. Scharfe Kritik am Einlenken der PKK übte der FDP-Landesvorsitzende Heinz Lanfermann. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die PKK die Verletzung ihrer Rechte hinnehme.

Brandenburgs Verfassungsschutz war bereits im Vorjahr in die Schlagzeilen geraten, als der V-Mann Toni S. wegen seiner Beteiligung an Produktion und Vertrieb einer rechtsextremen Musik-CD mit Mordaufrufen gegen Prominente von einem Berliner Gericht verurteilt wurde. Vor diesem Hintergrund ging Schönbohm jetzt in die Offensive: Er kündigte an, dass er der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) in Kürze ein Gesamtkonzept zur Arbeit des Verfassungsschutzes und den Umgang mit V-Leuten vorlegen werde. Darin würden auch Konsequenzen aus den Pannen gezogen, die den Blick auf die Erfolge bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht verstellen dürften.

Schönbohm hob hervor, dass der Verfassungsschutz heute „einen besseren Zugang“ zum rechtsextremistischen Spektrum“ habe als bei seinem Amtsantritt. Dies habe dazu beigetragen, dass die rechtsextremistische Musikszene zerschlagen wurde und keine Skinhead-Konzerte in Brandenburg mehr stattfinden. Es gebe auch keine netzwerkartige Struktur des Rechtsextremismus, sondern verschiedene allein agierende Kleinstgruppen, „vor allem aber eine Reihe zutiefst primitiver und brutaler Schlägertypen“. Diese seien weniger ein Fall für den Verfassungsschutz als für Polizei und Staatsanwaltschaft. Bei der Vorstellung des jüngsten Verfassungsschutzberichtes hatte Schönbohm allerdings geklagt, dass die sich häufende Enttarnung von V-Leuten zu Schwierigkeiten bei der Anwerbung neuer Spitzel führe. Ihr Einsatz ist in der großen Koalition allerdings unumstritten. Jedoch werden schärfere Kontrollen verlangt, um sicherzustellen, dass sie nicht wie Toni S. Straftaten begehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false