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Brandenburg: Schönbohm bringt Platzecks Genossen zur Weißglut

Nach der „Irak-Resolution“ des Koalitionspartners CDU fordern immer mehr Sozialdemokraten Rot-Rot. Die PDS signalisiert ihre Bereitschaft

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. In Brandenburgs SPD mehren sich die Stimmen, die offen ein Ende der Großen Koalition fordern. So erklärte SPD-Vizechefin Katrin Molkentin am Mittwoch, das an US-Präsident Bush gerichtete „Anbiederungsschreiben" von CDU-Innenminister Jörg Schönbohm und der Fraktion bringe das Fass zum Überlaufen. In ungewohnter Schärfe distanzierte sich auch Ministerpräsident Matthias Platzeck von Schönbohm und der CDU: Das Schreiben, das scharfe Angriffe gegen die Bundesregierung und die Gegner eines Irak-Krieges enthält, sei „peinlich" für das Land. Die „Ergebenheitsadresse" erinnere an unselige DDR-Zeiten.

Platzeck verwahrte sich dagegen, „dass die, die diesen Text nicht unterschreiben, indirekt zu Feinden unseres Bündnispartners Amerika abgestempelt werden". Mit Äußerungen zum Fortbestand der Koalition hielt sich Platzeck zurück. Er betonte jedoch, dass der Vorgang dem Koalitionsklima schade. Im Zusammenhang mit den jüngsten Koalitionsstreitigkeiten um die Haushaltspolitik hatte sich Platzeck nach Tagesspiegel-Recherchen Anfang Februar mit Parteichef Ralf Christoffers getroffen und dabei auch sondiert, ob die PDS gegebenenfalls als Koalitionspartner zur Verfügung stünde. Dies ist von Christoffers dem Vernehmen nach grundsätzlich bejaht worden. Auch soll er erläutert haben, dass die PDS ministrable Politiker aufbieten könne. Katrin Molkentin forderte gestern „die Aufnahme offizieller Gespräche mit der PDS". Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zeigten, dass schwierige Probleme mit der PDS zielgenauer und verlässlicher gelöst werden könnten. Laut Molkentin gibt es in der Partei einen Stimmungsumschwung zugunsten von Rot-Rot.

Die SPD-Politikerin kritisierte scharf, dass sich Schönbohm und seine Partei offensichtlich von der Landespolitik verabschiedet hätten. „Außen- und bundespolitische Spielwiesen sind der CDU offenbar wichtiger als die Koalition." In dem Schreiben an US-Präsident Bush, das neben Schönbohm die Mehrheit der CDU-Fraktionsmitglieder unterzeichnet hat, wird die Politik der rot-grünen Bundesregierung scharf attackiert. Wörtlich heißt es unter anderem: „Es ist uns ein Herzensanliegen, Ihnen mitzuteilen, dass wir beschämt sind, wie sich unsere Bundesregierung im Irak-Konflikt, im UN-Sicherheitsrat, aber auch innerhalb der Nato verhält." Die gleichen Kräfte, die 1979 gegen den Nato-Doppelbeschluss mobil machten und immer die Nähe zum SED-Regime suchten, setzten jetzt die Partnerschaft zu den USA aufs Spiel und würden „unter dem Deckmantel der Erhaltung des Friedens letztendlich ihre antiamerikanischen Grundeinstellungen ausleben". Das Schreiben löste in der SPD eine Welle der Empörung aus, zumal auch die Schönbohmsche Forderung nach einem Folter-Freibrief für Terroristen-Fahnder großes Unverständnis hervorrief. „So kann es nicht weitergehen", warnte SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. Schönbohms Stil sei nicht akzeptabel. Der einflussreiche Landtagsabgeordnete und Unterbezirkschef von Spree-Neiße, Ulrich Freese, beschrieb die Stimmung in der Partei so: „Schönbohm schlägt Schröder und meint Platzeck." Der CDU-Landeschef sollte dann auch konsequent sein und die Oppositionsrolle nicht in der Regierung, sondern auf der Oppositionsbank wahrnehmen. Es sei inakzeptabel, dass Schönbohm die Sozialdemokratie in Brandenburg bis zur Weißglut reize. Er mache permanent Wahlkampf und sei offenbar nicht fähig, fünf Jahre verlässliche Politik in einer Koalition zu machen.

PDS-Parteichef Ralf Christoffers bestätigte die rot-rote Annäherung. Er kündigte an, dass er bereit sei, die von Sozialdemokraten angeregten offiziellen Gespräche zu führen. Es gebe offenbar einen kulturellen und politischen Grundkonflikt zwischen SPD und CDU. Er sehe ein Ende der Gemeinsamkeiten. Die SPD müsse entscheiden, ob daraus eine Koalitionsfrage werde. Aus Sicht des PDS-Parteichefs ist die Lage in der Koalition ernster als im Zuwanderungsstreit. Christoffers bestritt Gerüchte, wonach es zwischen SPD und PDS bereits einen „Geheimplan" für eine rot-rote Koalition geben soll. Er bestätigte jedoch, dass „inoffiziell auf verschiedenen Ebenen“ Gespräche geführt werden.

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