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Brandenburg: Schwedt braucht das Öl, hat aber auch Reserven

Raffinerie versorgt fast alle Berliner Tankstellen. Gestern wurde trotz Lieferstopp weiter produziert.

Schwedt - Der zeitweilige Lieferstopp von Öl aus Russland hat in der Raffinerie in Schwedt keine Panik ausgelöst. „Unsere Lager sind voll gefüllt und reichen für mehrere Tage“, sagt der Sprecher der PCK (Petrolchemisches Kombinat) Raffinerie GmbH, Karl-Heinz Schwellnus. Die Produktion laufe ganz normal weiter. „Schon am Wochenende hat es Verzögerungen aus Richtung Osten gegeben. Deshalb glaubten wir auch gestern zuerst an technische Probleme in Russland.“

Selbst wenn durch die 1963 eröffnete Erdölleitung „Freundschaft“ mehrere Tage kein Rohstoff mehr gepumpt würde, gehen im Schwedter Großbetrieb die Lichter nicht aus. Eine Stichleitung verbindet das Werk mit dem Überseehafen in Rostock. Sie kann sowohl für den Transport von Kraftstoffen als auch von Rohöl genutzt werden. Bei einer Zuspitzung des Streits zwischen Russland und Weißrussland würde das von mehreren Mineralölgesellschaften getragene Schwedter Unternehmen Öl von anderswo beziehen. „In Rotterdam liegen mehrere voll beladene Ölschiffe bereit. Die stechen bei Bedarf sofort in See und nehmen Kurs auf das Rostock“, erklärt Sprecher Schwellnus.

Schwedt versorgt 95 Prozent aller Berliner Tankstellen mit Kraftstoffen. Das war auch vor dem Mauerfall so, als West-Berlin ebenfalls fast vollständig aus der 100 Kilometer nordöstlich gelegenen Raffinerie beliefert wurde. Damit verdiente die DDR gutes Westgeld – worauf die Sowjetunion Anfang der 80er Jahre mit einer drastischen Reduzierung der Öllieferungen reagierte. Sie verkaufte das Öl gleich an den Westen und leitete damit ungewollt den wirtschaftlichen Niedergang der DDR mit ein.

Dennoch galt die Erdölleitung „Freundschaft“ als Musterbeispiel für die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Das Ende der 50er Jahre eher unbedeutende Tabakstädtchen Schwedt entwickelte sich dank der Raffinerie zur größten Stadt der Uckermark. 1989 zählte Schwedt 52 000 Einwohner. Nach der Wende verlor die Stadt zwar 14 000 Menschen, aber die Raffinerie ist trotz des Abbaus von 8000 auf jetzt 1400 Jobs zusammen mit zwei Papierfabriken noch immer der größte Arbeitgeber.

In Schwedt wird jede zehnte in Deutschland eingesetzte Tonne Rohöl verarbeitet. Etwa die gleiche Menge kommt aus Leuna in Sachsen-Anhalt, die ebenfalls an die Pipeline aus Russland angeschlossen ist.

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