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Brandenburg: Schwere Vorwürfe gegen CDU-Zentrale

Generalsekretär und Mitarbeiter sollen die Mails der Minister kontrolliert haben. Internet-Unternehmen will Justiz einschalten

Potsdam - Die CDU kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus: Gestern wurde der Vorwurf erhoben, dass über Monate hinweg der E-Mail-Verkehr des Landesvorsitzenden Jörg Schönbohm und anderer Minister sowie Vorstandsmitglieder von der Landesgeschäftsstelle „überwacht“ worden ist. Zum Teil sollen E-Mails nicht an die eigentlichen Empfänger weitergeleitet worden sein. Dies behauptete gestern Daniel Schoenland, dessen Werbeagentur bislang die Internet-Plattform der CDU Brandenburg betreut hat. Die Anschuldigungen richten sich konkret gegen Generalsekretär Sven Petke und Landesgeschäftsführer Rico Nelte. Schoenland kündigte an, die gespeicherten Daten – 350 000 Datensätze – heute der Staatsanwaltschaft in Potsdam übergeben zu wollen.

Schönbohm erklärte zunächst: „Ich werde den Vorwürfen nachgehen, weil sie schwerwiegend sind.“ Am Abend kündigte die CDU strafrechtliche Schritte an: Die Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Nelte selbst äußerte sich nicht.

Nach Angaben von Schoenland hat seine Agentur bei einer Routineprüfung Freitagnacht festgestellt, dass in der CDU-Landesgeschäftsstelle der Internet-Surfer so konfiguriert worden sei, dass von jeder E-Mail automatisch eine Blindkopie an Nelte gegangen sei: „ein Abhörmechanismus, der nicht erkennbar war“. Nelte gilt als Vertrauter Petkes.

Zum Hintergrund: Jeder Minister, jedes Vorstandsmitglied hat einen elektronischen Briefkasten, eine persönliche CDU-Mail-Adresse. Die dort eingehenden Nachrichten werden, jedenfalls soll es so sein, an die jeweiligen Politiker weitergeleitet, meist in ihre Büros. Dass automatisch auch Kopien an Nelte gingen, wie Schoenland behauptet, war nach Tagesspiegel-Recherchen den Ministern Beate Blechinger, Ulrich Junghanns und Johanna Wanka nicht bekannt.

Noch schwerer wiegt der Vorwurf, dass in der Landeszentrale E-Mails „abgefangen“ wurden, zum Beispiel solche an Fraktionschef Thomas Lunacek und JU-Landeschef Sebastian Schütze, deren E-Mails laut Schoenland „ausschließlich an Rico Nelte weitergeleitet“ worden sein sollen. Lunacek wollte das nicht kommentieren. Schütze sprach von einem „tiefen Vertrauensbruch“.

Schoenland behauptete, dass Nelte im Auftrag Petkes gehandelt habe: „Nelte tut nichts ohne Abstimmung mit Petke.“ Nelte habe ihm schon vor einigen Monaten gesagt, dass er im Auftrag von Petke „die E-Mail-Accounts von allen Vorstandsmitgliedern mit einer Adresse ...@cdu-brandenburg.de überwachen würde“, was er damals nicht ernst genommen habe.

Petke bestritt die Vorwürfe Schoenlands, der bisher auch sein Mitarbeiter im Landtag war : Er habe keinen Auftrag zur Überwachung gegeben und würde das nie tun. Sämtliche Post komme in der Landeszentrale an und werde von dort weitergeleitet. Er warf Schoenland vor, zwei E-Mails gefälscht zu haben. Schoenland konterte, Petke versuche, „seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen“. Bereits Anfang der Woche sei ihm von Nelte und Petke bedeutet worden, „die Klappe zu halten“. Im Gegenzug werde man ihn „versorgen“ und ausstehende Rechnungen bezahlen. Schoenland liegt mit der CDU wegen nicht bezahlter Rechnungen im Streit. Er hat deshalb den Internet-Auftritt der CDU gesperrt, die jetzt einen neuen einrichten will.

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