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Brandenburg: Selbst bei völliger Flaute 60 Kilometer gleiten

LÜSSE .Mit einem Ruck wird das Drahtseil angezogen.

LÜSSE .Mit einem Ruck wird das Drahtseil angezogen.Es folgt eine kurze Holperstrecke über den Rasen, dann steigt die Maschine im 45-Grad-Winkel steil in die Luft.Der Zeiger des Variometers, der die Steiggeschwindigkeit anzeigt, klebt am Anschlag.Der auf den Rücken geschnallte Fallschirm mildert den Druck, mit dem der Passagier in den Sitz gedrückt wird.Nach etwa 30 Sekunden, in 300 Metern Höhe, ein erneuter Ruck, als Pilot Heiko Lehmann das Seil ausklinkt.Dann ziehen wir mit rund 100 Stundenkilometern lautlos und ruhig unsere Bahn.

Das surrende Geräusch beim Start war im nahen Dorf Lüsse (Kreis Potsdam-Mittelmark) nicht zu hören.So haben die Anwohner die Segelflieger, die sich hier nach der Vereinigung 1992 angesiedelt haben, nach anfänglicher Skepsis freundlich aufgenommen.Der Flugsportclub Charlottenburg (FCC) und der Märkische Luftsportverein Lüsse betreiben gemeinschaftlich den Flugplatz, der zu den größten und klimatisch günstigsten Segelfluggeländen in Deutschland zählt.Im Jahr 2000 werden hier, im Leistungszentrum der Berliner Segelflieger, die Europameisterschaften stattfinden.

Daß man auch ohne Motor mehr als nur ein paar Platzrunden fliegen kann, haben die Charlottenburger erst vor wenigen Tagen wieder bewiesen.Mit 1007 Kilometern, die sie in neuneinhalb Stunden zurücklegten, stellten Klaus Engelhardt und Herbert Märtin einen neuen norddeutschen Langstreckenrekord auf.Selbst bei völliger Flaute kann ein Segelflugzeug - je nach Modell - aus 1000 Metern Höhe noch 35 bis 60 Kilometer weit gleiten.

Naturschutz sei für die Piloten Ehrensache, sagt der Umweltschutzbeauftragte des Berliner Luftsport-Landesverbandes im Deutschen Aero Club, Matthias Issing.Eigens entwickelte Aufkleber markieren die Großtrappenschutzgebiete in den Flugkarten.

Rund 800 Brandenburger und 850 Berliner sind in 30 Segelflugvereinen organisiert.Das ist knapp zehn Jahre nach dem Fall der Luftraumbeschränkungen noch immer wenig im Vergleich zu den alten Bundesländern.Dabei ist der Flugsport entgegen der weitverbreiteten Meinung kein teures Hobby, wie der stellvertretende FCC-Vorsitzende Gismut Schroeder betont.Jugendliche bis 17 Jahren zahlen 200 Mark Aufnahmegebühr und 240 Mark Jahresbeitrag, Ausbildung und Fluglehrer inklusive.Die zusätzlichen Kosten von sechs Mark pro Start und 37 Mark pro Flugstunde können durch Arbeitsstunden in der Werkstatt oder bei der Platzpflege deutlich reduziert werden.Schroeder: "Mit 500 Mark im Jahr ist man gut dabei".

Nachwuchs wird stets gesucht.Bereits ab 14 Jahren kann mit der Ausbildung begonnen werden."Manch einer startet hier zum Alleinflug, darf aber fürs Auto noch keinen Führerschein machen", berichtet Schroeder.Zum Kennenlernen bieten verschiedene Vereine Schnupperkurse oder Projekttage für Schulen an.Auch in Lüsse freut man sich an den Wochenenden über Besuch von Interessenten.Dabei sind Mädchen ebenso willkommen wie Jungen.Daß der Segelflugsport keine Männersache ist, dafür ist FCC-Mitglied Natalie Lübben als deutsche Frauenmeisterin im Streckenflug der beste Beweis.

Von anderen Vereinen genutzte Segelflugplätze befinden sich unter anderem auch in Saarmund am Autobahnkreuz Drewitz, in Friedersdorf bei Königs-Wusterhausen, in Eisenhüttenstadt, Fürstenwalde, Stölln/Rhinow und in Kammermark bei Pritzwalk.Auskünfte erteilen die Geschäftsstellen der Luftfahrtverbände Berlin (823 33 60) und Brandenburg (033 731 / 170 43).

RAINER W.DURING

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