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Brandenburg: Serienweise Brände gelegt, um Ausländer zu vertreiben

In Potsdam begann der erste Terrorprozess in der Geschichte des Bundeslandes. Schwere Vorwürfe gegen zwölf junge Rechtsextremisten

Von Frank Jansen

Potsdam - Sie sehen nicht aus wie harte Nazis. Keine Glatzen, keine Stiefel, keine Bomberjacken. Zwölf Jünglinge treten im Gebäude des Potsdamer Amtsgerichts auf, die Haare sind gegelt, manchmal auch halblang, bei der Bekleidung dominiert Sportswear ohne einschlägige Aufschrift. Der jüngste ist gerade 16 Jahre alt, der älteste 20. Doch harmlos ist das Dutzend aus der Region Nauen, die meisten sind Schüler und Auszubildende, offenbar nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft nennt die Clique eine rechtsextreme Terrorgruppe. Seit gestern müssen sich die zwölf mutmaßlichen Mitglieder vor dem Brandenburger Oberlandesgericht verantworten, das aus Platzgründen in den großen Saal des Potsdamer Gerichts gekommen ist. Der prächtig renovierte Altbau ist nun die Kulisse für den ersten Terrorprozess in Brandenburg.

Oberstaatsanwalt Eugen Larres trägt die Anklage vor. Die Angeschuldigten hätten sich 2003 zu der rechtsextremen Kameradschaft „Freikorps“ zusammengeschlossen, um Brandanschläge auf ausländische Restaurant- und Imbissbetriebe zu verüben. Mit dem Ziel, die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen zu vernichten und somit sie und Ausländer überhaupt aus der Region Nauen zu vertreiben. Dann zählt der Oberstaatsanwalt auf: Von August 2003 bis Mai 2004 brannten in Nauen, Brieselang, Falkensee und Schönwalde fünf vietnamesische und türkische Imbisse und Restaurants.

Angezündet wurde auch ein von Vietnamesen geführtes Textilgeschäft in Nauen. Zwei Imbisse und ein Restaurant wurden sogar je zweimal heimgesucht. Und in einem Fall weitete sich das Feuer zum Großbrand aus. Als in der Nacht zum 31. August 2003 in Nauen der Imbisswagen des Vietnamesen Lan Hoang Thi angezündet wurde, griffen die Flammen auf den nahen „Norma“-Verbrauchermarkt, einen Getränkegroßmarkt und ein Einzelhandelsgeschäft über. Allein bei diesem Brand entstand ein Schaden in Höhe von mehr als einer halben Million Euro. Die Schäden aller Anschläge summieren sich sogar auf über 600 000 Euro. Nur durch Zufall kamen keine Menschen zu Schaden.

Den mit 20 Jahren ältesten Angeklagten, Christopher H., hält die Generalstaatsanwaltschaft für den Rädelsführer. H. soll im Sommer 2003, nur Monate vor seinem Abitur, zehn Angeklagte zur Gründung des „Freikorps“ versammelt haben. Folgt man der Anklage, hat H. auf freiem Feld eine pubertär-martialische Zeremonie veranstaltet. Mit deutscher Gründlichkeit: Die Rechtsextremisten wählten einen Schriftführer und einen Kassierer.

Christopher H. ist der Einzige, der gestern aus der Untersuchungshaft vorgeführt wird. Der schmächtige Mann mit dem Mittelscheitel sieht blass aus, doch die Miene signalisiert Trotz. Die meisten Angeklagten waren bei der Polizei geständig. Einer gibt auf dem Gerichtsflur auch zu, er sei schuldig. Aber er bleibt dabei: In Brandenburg seien die Ausländer „zu ville“. Da erscheint der Erziehungsbedarf offenkundig. Die Vorsitzende Richterin des Staatsschutzsenats, Gisela Thaeren-Daig, schließt denn auch nach Verlesen der Anklageschrift die Öffentlichkeit aus. Im Interesse der Erziehung der Angeklagten müsse eine Stigmatisierung, vor allem in den Medien, verhindert werden.

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