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Brandenburg: Sintflutartiger Regen lässt Mietshaus absacken

Feuerwehr am Sonnabend wieder im Ausnahmezustand: Hunderte Keller in Berlin vollgelaufen, 30 Familien obdachlos, ein Mann in Brandenburg von Blitz getötet

Von Sandra Dassler

Berlin/Potsdam - Heftige Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen haben am Sonnabendmorgen in Berlin und Brandenburg das öffentliche Leben erneut stark beeinträchtigt. In Eichwalde in Brandenburg wurde in der Nacht zum Sonnabend ein 47-jähriger Mann vom Blitz erschlagen. In Berlin musste ein mehrgeschossiges Wohnhaus in der Pfarrstraße in Lichtenberg evakuiert werden, weil das Gebäude abzusacken drohte.

Die Berliner Feuerwehr war wie bereits am Freitagabend im Ausnahmezustand. Rund 300 Beamte der Berufsfeuerwehr und 500 Mitarbeiter der freiwilligen Wehren mussten zwischen 7 und 13 Uhr 840 Mal wetterbedingt ausrücken. Die Polizei zählte fast 200 Einsätze, die mit den starken Regenfällen zusammenhingen. Die Beamten hatten schon Freitagabend überwiegend in der West-City etwa 60 Nummernschilder eingesammelt, die von der Bugwelle an den Autos abgerissen worden waren – Kennzeichen werden oft nur angeklemmt. Nach dem ersten Unwetter am Freitagabend waren Feuerwehr und Polizei bereits 1190 Mal ausgerückt. 50 Bäume waren umgestürzt, bei 25 Einsätzen wurden Bauteile von der Straße geräumt.

Am Sonnabend liefen vor allem in den westlichen Bezirken die Tiefgaragen so voll, dass Autos aufschwammen und deren Dächer an der Decke eingebeult wurden. In Steglitz stand in der Gritznerstraße eine zweigeschossige Tiefgarage vollständig unter Wasser. 25 Baustellen mussten gesichert werden. Die Avus war zwischen 10 und 14 Uhr wegen Überspülungen in beiden Fahrtrichtungen gesperrt – auf der A 115 Richtung Berlin kam es zu kilometerlangen Staus. In Zehlendorf war auch der Teltower Damm dicht. Wegen gefluteter U-Bahnhöfe und Bahnsteige wurden auf der U 5 die Bahnhöfe Magdalenenstraße und Adenauerplatz zeitweilig gesperrt, in der ganzen Stadt wurden Busse umgeleitet, Straßenbahnen gedrosselt und S-Bahnen gestoppt. Einige Ampelanlagen zeigten nur Blinklicht.

Dass das Fundament eines Hauses in der Lichtenberger Pfarrstraße absackte, stellten Feuerwehrleute fest, die wegen Ölaustritts im Fahrstuhl alarmiert worden waren. Sie bemerkten Risse in der Hauswand. Aus dem Fahrstuhl soll giftige Hydraulikflüssigkeit ausgetreten sein. Die Treppe beziehungsweise das gesamte Treppenhaus sei nach den Regengüssen offensichtlich instabil, sagte ein Polizeisprecher. Deshalb habe man gestern Mittag die Bauaufsicht Lichtenberg informiert, deren Mitarbeiter die Mängel bestätigten und die Evakuierung anordneten.

Am Nachmittag wurde der sechsgeschossige Neubau in der Pfarrstraße von der Polizei weiträumig abgesperrt. Vor dem Fahrradgeschäft „Pedalpower“ im Erdgeschoss an der Ecke Kaskelstraße war der Bürgersteig auf einer Länge von zehn Metern rund zwei Meter in die Tiefe gesackt. Alle Mieter hatten das Haus inzwischen verlassen. Nur einige Hauskatzen blieben nach Aussagen von Anwohnern angeblich in den Wohnungen zurück, weil man nicht wusste, wohin mit ihnen. Die meisten Mieter waren zu Verwandten oder Freunden gezogen. Sieben der rund 30 betroffenen Familien brachte das Rote Kreuz in Mutter-Kind- oder Senioren-Heimen des Bezirks unter. „Sie haben alle eigene Zimmer und sind bis Montag in Sicherheit“, sagte DRK-Einsatzleiter Ronald Bögner.

Andreas Dannebauer hatte es leichter: „Meine Freundin wohnt drei Häuser weiter“, erzählte der 39-Jährige, der seit drei Jahren in der Pfarrstraße lebt. Der gelernte Stahlbetonbauer machte gestern wie viele andere Mieter und Anwohner keinen Hehl aus seiner Ansicht, dass nicht nur der Regen am Zustand des Hauses schuld sei. „Bei viel älteren Häusern in der Nachbarschaft ist nichts passiert. Aber hier. Offenbar stimmt die Isolierung nicht, und die Treppe ist schon vor Monaten abgesackt, wir haben das bei der Wohnungsverwaltung mehrfach angesprochen.“

Anwohner berichteten, dass es schon Schwierigkeiten beim Bau des Hauses vor einigen Jahren gab. „Als ich im Radio hörte, dass eines der Häuser einsturzgefährdet ist, ahnte ich sofort, dass es nur der Neubau sein kann“, sagte Wolfgang Parz: „Als es errichtet wurde, stand die Baugrube ständig voller Wasser, die Firmen waren nur am Abpumpen.“ Seine Frau Renate ergänzte: „Wir sind hergekommen, um möglicherweise zu helfen. Das ist doch furchtbar für die Mieter, vor allem für die Familien mit Kindern.“

Die Zahl der Schaulustigen hielt sich aber in Grenzen– die meisten Anwohner waren noch mit dem Leerpumpen der eigenen Keller beschäftigt. Wie Beate Janke, 38, aus der Nachbarschaft. „Am Freitag um 17 Uhr begann der Starkregen, eine Stunde später fuhren Kinder hier mit einem Schlauchboot herum.“

Die Gewitter brachten nach Worten von Meteorologe Jörg Riemann vom Wetterdienst MC Wetter innerhalb von 24 Stunden Regenmengen, die teils doppelt so hoch waren wie normalerweise im gesamten Juli. So seien in Charlottenburg rund 104 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gefallen, der Durchschnittswert für den ganzen Monat betrage 53 Liter. Ebenfalls ungewöhnlich viel Regen fiel in Dahlem (63 Liter), Tegel (60 Liter) und am Alexanderplatz (56 Liter).

Zudem hat es dem Meteorologen zufolge ungewöhnlich viele so genannte Erdblitze gegeben, die durch die Wolken auf die Erde rasten. Diese entstünden, wenn trockene heiße Luft aus Osteuropa auf schwül-heiße Luft aus Mitteleuropa treffe. In Brandenburg waren vor allem Potsdam und umliegende Gemeinden vom Unwetter betroffen. Bei dem in Eichwalde getöteten Mann wies sein verschmolzenes Uhrenarmband auf Blitzschlag hin. Vom Blitz getroffen wurde auch ein Schweinestall in der Uckermark, wo im anschließenden Feuer 561 Tiere verendeten.

Schäden durch Wassereintritt müssen in der Regel die Hauseigentümer tragen, Wohngebäude- und Hausratversicherung zahlen nur bei Schäden durch Leitungswasser. Für Hochwasserschäden braucht man eine zusätzliche Elementarschadenversicherung .

Für den heutigen Sonntag sagen die Meteorologen wieder schwül-warmes Wetter voraus. Vor allem am Vormittag könnte es noch einmal zu leichten Gewittern und vereinzelten Regenfällen kommen. Am Abend liegt das Regenrisiko allerdings nur noch bei 20 Prozent. Dafür versprechen Temperaturen zwischen 25 und 27 Grad bei Anpfiff des Finales im Olympiastadion einen heißen Abschluss der Fußballweltmeisterschaft. In der Nacht soll sich die Luft dann auf Temperaturen bis 18 Grad abkühlen. Und zu Wochenbeginn soll die Sonne wieder die Oberhand über die Wolken gewinnen.

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