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Brandenburg: Sitzenbleiber können ihre Schulen vor der Schließung bewahren

Von Sandra Dassler Wusterwitz/Kleinmachnow. Sie haben Mahnwachen gehalten und den Bildungsminister eingeladen, haben Briefe geschrieben und die Presse alarmiert.

Von Sandra Dassler

Wusterwitz/Kleinmachnow. Sie haben Mahnwachen gehalten und den Bildungsminister eingeladen, haben Briefe geschrieben und die Presse alarmiert. Es hat alles nichts genutzt. Einer fehlt noch. Ein einziger Schüler, dann hätte die Gesamtschule Wusterwitz bei Brandenburg/Havel die erforderlichen 40 Mädchen und Jungen für die vorgeschriebenen zwei 7. Klassen zusammen. Im brandenburgischen Bildungsministerium wurden alle Bitten um eine Ausnahmegenehmigung ignoriert: „Das würde das Problem nur aufschieben, aber nicht lösen“, sagt der Sprecher im Potsdamer Bildungsministerium, Martin Gorholt. „Denn im nächsten Jahr wird Wusterwitz noch weniger Siebtklässler haben. Das ist die bittere Wahrheit.“ Der kann sich auch die Wusterwitzer Amtsdirektorin Gudrun Liebener nicht verschließen. Sie will sich aber nicht mit der „totalen Untätigkeit“ der Politiker abfinden: „Wieso gibt es keine Konzepte?“, fragt sie.

Im Gegensatz zu Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) ist die PDS-Bildungspolitikerin Gerrit Große in Wusterwitz gewesen. Sie hat sich über die Lage informiert und Wusterwitz in die überregionale Presse gebracht, weil sie erzählte, dass man dort fehlende Schüler mittels Lehrstellengarantie „kaufen“ wolle. Ein Scherz sei das gewesen, sagen die Wusterwitzer. Es zeige die Verzweiflung der Menschen, sagt Gerrit Große, die der Landesregierung ebenfalls „Untätigkeit“ vorwirft. Während man den Geburtenknick in den Klassen 1 bis 6 mit dem Modell „Kleine Grundschule“ abgefangen habe, gäbe es kein Konzept für die weiterführenden Schulen. Und das, obwohl seit zwei Jahren der Bericht einer eigenen Kommisssion vorliegt.

Darin wird unter anderem empfohlen, die Klassenstärken bis auf 15 Schüler zu verringern. Ministeriumssprecher Gorholt nennt das überholt, verweist auf „unvorhergesehene Entwicklungen“. Zwar seien die Geburtenzahlen bekannt gewesen, die Kommission habe aber nicht mit der dramatischen Abwanderung von Brandenburgern aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit rechnen können. Zur massenweisen Schließung von Schulen gäbe es deshalb keine Alternative. Und über Ausnahmeregelungen könne man frühestens ab 2004 nachdenken. Genau so etwas hat Gerrit Große befürchtet: „Das ist dann das Geschenk Reiches im Wahljahr“, meint sie sarkastisch, „für viele Schulen wird es allerdings zu spät kommen“.

Zu spät reagiert haben Land und Kommunen nach Ansicht von Betroffenen auch auf eine Entwicklung, die der allgemeinen Tendenz sinkender Schülerzahlen völlig entgegenläuft. Die Rede ist vom Mangel an Kitas und Schulen in jenen Gemeinden im Speckgürtel, die seit Jahren einen Zuzug aus Berlin verzeichnen. Marina Kobek beispielsweise ist 1999 nach Kleinmachnow gezogen. Im nächsten Jahr kommt ihre älteste Tochter in die Schule, wahrscheinlich wird sie dann in eine Klasse mit 30 Kindern gehen müssen. Die beiden Grundschulen in Kleinmachnow können zwar die Zahl der ersten Klassen erhöhen, längst reichen aber auch die Räumlichkeiten nicht mehr aus. Der Umbau einer Aula oder einer Hausmeister-Wohnung in Klassenräume wird das Problem nicht lösen können – in Kleinmachnow wird daher der Neubau einer Grundschule gefordert. Auch die Gesamtschule ist bereits völlig ausgelastet, erzählt Marina Kobek. Und das Gymnasium nehme nur noch Schüler mit einem Zensurendurchschnitt von 1,2 auf. Wer schlechter ist, muss nach Potsdam fahren.

Bei den Kindertagesstätten ist die Situation noch schlimmer. Marina Kobek teilt sich zur Zeit einen Platz mit einer anderen Mutter. Der CDU-Ortsverband spricht von einem regelrechten „Notstand“ im Kita-Bereich und befürchtet „Massenbetrieb“ in allen Bildungseinrichungen, wenn nicht schnell etwas geschieht.

Von einem solchen Massenbetrieb kann man in Wusterwitz nur träumen. Aufgeben wollen die Eltern dort allerdings nicht. Möglicherweise löst sich das Problem ja auf unerwartete Weise. Kommende Woche tagt die Versetzungskommission. Wie es aussieht müssen drei Schüler die 7. Klasse wiederholen. Dann wäre die erforderliche Schülerzahl erreicht – und die Wusterwitzer Schule zumindest für ein Jahr gerettet.

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