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Luftfahrt auf dem Wasser. Team New Zealand rast mit bis zu 80 Stundenkilometern durch die Bucht von San Franciso. Die Mannschaft von Skipper Dean Barker holte bis Samstag in der Runde der Herausforderer beim America’s Cup bereits zwei Punkte – allerdings ohne Gegner.

© afp

America’s Cup: Geisterschiffe vor San Francisco

Die Runde der Herausforderer beim America’s Cup verkommt zur Farce: Dreimal mussten Boote bereits gegen sich selbst segeln.

Sie nennen es ein Wettrennen. Die Uhr zählt die Sekunden bis zum Start herunter, die Schaulustigen an Land verfolgen auf Videowänden jede Bewegung des großen Schiffes, das auf der San Francisco Bay einsam seine Kreise zieht. Als das Startsignal ertönt und das schwarz-rote Gefährt rasant beschleunigt, fehlt es eigentlich nur an einem Gegner, um den America’s Cup zu dem zu machen was er ist: ein Zweikampf. Dass an diesem diesigen Vormittag die neuseeländische Herausfordererjacht ganz allein den Parcours absegelt, eine Art Schattenboxen veranstaltet und dafür einen Punkt einsammelt auf ihrem Weg ins Finale, scheint den Cup abermals in eine Farce zu verwandeln. Wo sind die anderen?

Der America’s Cup gibt mit drei Alleinfahrten in seiner ersten Woche mal wieder das klägliche Bild allgemeiner Überforderung ab. Einmal boykottierte das Team Luna Rossa ein Zweikampfrennen, zweimal fehlte Artemis Racing an der Startlinie. Die Schweden hinken nach einem tragischen Unfall im Mai, bei dem Artemis-Segler Andrew Simpson ertrank, dem Zeitplan hinterher. Sie führen in diesen Tagen erste Belastungstests mit der neuen AC72-Jacht durch.

Dabei sollte der America’s Cup das Superevent des Sportjahres 2013 werden. Mit den schnellsten Schiffen, den besten Seglern, dem größten Spektakel: 22 Meter lange Katamarane mit festem Flügelsegel sollen das Können der Spitzensportler erstmals auch sichtbar machen – durch Speed. So hatte es Oracle-Chef Larry Ellison versprochen, als er die begehrte Silberkanne 2010 nach einem endlosen Rechtsstreit und auf den Schwingen eines gigantischen Trimarans zurück in das Land holte, dem der Cup seinen Namen gibt. Die Amerikaner leiten daraus ein natürliches Besitzrecht ab. Und ein Software-Gigant wie Ellison scheint nach den Ashburys (Eisenbahnen), Morgans (Finanzen), Vanderbilts (Eisenbahnen) und Turners (Medien) die Mittel aufzubringen für das technische Wettrüsten, das noch jeden Cup geprägt hat. Oracle kann sich zwei Jachten und zwei Olympiasieger leisten, um gegen sich selbst zu trainieren. Und auf den Herausforderer zu warten, der zurzeit vor San Francisco ermittelt wird.

Von den acht Teams, die sich in den vergangenen zwei Jahren in einer Worldcup-Serie mit dem Katamaran-Segeln vertraut gemacht haben, sind noch drei Teams übrig geblieben: Team New Zealand und Luna Rossa aus Italien sowie das Artemis Racing. Doch die Schweden üben noch, während draußen in der Bucht von San Francisco die beiden Mitbewerber um das Finale gegen Titelverteidiger Oracle bereits zeigen, dass sie die Gefahren auf dem Wasser halbwegs im Griff haben. Da geben sich die Profis gerne zuversichtlicher als sie sein können.

America’s Cup: Kleinste Fehler werden grausam bestraft, wie Simpsons Tod gezeigt hat.

Der 34. America’s Cup verlangt allen Teilnehmern neben einem rigiden Zeitplan gleich zwei Quantensprünge ab. Die Teams müssen Katamarane mit einem neuartigen Segelsystem beherrschen lernen, die es in dieser Größenordnung bislang kaum gab. Und sie müssen mit dem Tragflächeneffekt zurechtkommen, der von den seitlichen Steckschwertern ausgeht. Durch sie heben sich die sechs Tonnen Bootsgewicht aus dem Wasser, die Jachten fliegen mit bis zu 80 Stundenkilometern dahin. Aber kleinste Fehler werden grausam bestraft, wie Simpsons Tod gezeigt hat.

Das veranlasste die Regattaleitung zu einer ungewöhnlichen Maßnahme. Sie schrieb den Teilnehmern aus Sicherheitsgründen verstellbare Trimmklappen an den Ruderblättern vor. Luna Rossa und Team New Zealand legten umgehend Protest ein, sie hätten ihre Boote in der ohnehin schon knappen Zeit umkonstruieren müssen. Der Schritt schien vor allem Titelverteidiger Oracle zu begünstigen, der von Anfang an auf einen solchen Hebemechanismus gesetzt hat, während die beiden anderen auf feste Unterwasserflügel bauen. Ein Gezänk hob an. Luna Rossa blieb verärgert der Eröffnungszeremonie fern und boykottierte die ersten Ausscheidungsrennen. Doch die Jury revidierte am Freitag ihre Entscheidung. Sie hat nicht die Kompetenz, in die Klassenregeln einzugreifen.

So kam es am Samstag zum ersten wirklichen Aufeinandertreffen der Rivalen auf dem Wasser. Luna Rossa und Emirates Team New Zealand hießen die Kontrahenten. Sie kennen einander auch als Trainingspartner. Wobei die Neuseeländer um Skipper Dean Barker derzeit am besten die „Fahrstuhl“-Technik zu beherrschen scheinen. Da sich der Titelträger von 2000 und 2003 kaum um Multihull-Spezialisten verstärkte, hat die gesamte Crew ein intensives Katamaran-Programm durchlaufen.

Luna Rossa kam mit seiner Kampagne erst später in Schwung. Vom Start an gelang es Barker scheinbar mühelos, sein Boot aus dem Wasser zu dirigieren und bei Manövern kaum Geschwindigkeit abzubauen. So nahm er den Italienern über fünf Minuten ab, eine Deklassierung. Aber es liegen noch etliche Rennen zwischen diesem Auftakt und dem großen Duell mit Oracle. Da sollte es auch mal eng werden – sonst ist auch schnelles Segeln langweilig anzuschauen.

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