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Sport: " ...und der Schulz wird auch k.o.geschlagen"

LAS VEGAS .Ein perfekter Kinnhaken hat François Botha möglicherweise vor einem Ohrbiß bewahrt.

LAS VEGAS .Ein perfekter Kinnhaken hat François Botha möglicherweise vor einem Ohrbiß bewahrt.Denn Mike Tyson war völlig verunsichert und fand sich mit dem mutigen Gegner überhaupt nicht zurecht.Der einst so gefürchtete Haudrauf wurde getroffen und schlug selbst nur ins Leere.Dann wurde der Südafrikaner, der sich "Weißer Büffel" nennt, übermütig und rannte ihm in die rechte Donnerfaust.Nach 2:59 Minuten der fünften Runde war Mike Tyson K.o.-Sieger."Oh, was bin ich für ein Dummkopf", jammerte Botha."Ich war drauf und dran, zu gewinnen."

Das Comeback des Ohrenbeißers 19 Monate nach seinem Anfall von Kannibalismus in der Revanche gegen Evander Holyfield war gelungen, aber bei weitem nicht überzeugend."Ich habe noch jede Menge Rost und noch einen weiten Weg zu gehen", gestand ein sichtlich erleichterter Tyson.Der Weg führt den einstigen Schwergewichtsweltmeister nun am 24.April, an gleicher Stelle, im MGM Grand von Las Vegas, höchstwahrscheinlich zu Axel Schulz.Dessen Manager Wilfried Sauerland bestätigte nach dem Kampf, daß er sich mit dem Tyson-Management so gut wie einig sei und die Verträge in dieser Woche von den Anwälten ausgearbeitet würden.

Axel Schulz, in Las Vegas Zuschauer, wurde durch den Knockout nicht eingeschüchtert, sondern durch den schwachen Auftritt vorher ermutigt: "Ich sehe meine Chancen steigen.Tyson hat nicht mehr seine alte Stärke.Er war total unsicher und kommt mit Gegnern, die boxen und den Schlagabtausch nicht annehmen, nicht zurecht.Das Distanzgefühl hat überhaupt nicht gestimmt.Er lag nach Punkten ganz klar hinten."

Nach vier Runden hatten alle drei Punktrichter Botha mit 40:35 bzw.39:36 Punkten vorn.Tyson gewann also keine Runde.Aber er führte den entscheidenden Schlag.So ist Schwergewichtsboxen."Das ist eben auch Tysons Stärke", meinte Schulz anerkennend, "da wieder rauszukommen und mit einem Lucky Punch das ganze Ding umzudrehen.Botha hatte bis dahin alles richtig gemacht." Bis der einstige Schulz-Gegner anfing, herumzutänzeln, deckungslos mit herabhängenden Fäusten Tyson zu provozieren.Als er bei einem Angriff mit der rechten Faust die linke fallen ließ, schmetterte ihm Tyson auf halber Distanz seine Rechte kurz und knackig ans ungedeckte Kinn.

Was für ein Zusammenprall: Rücklings sackte der Getroffene zu Boden, fiel vornüber aufs Gesicht beim verzweifelten Versuch, die Kontrolle über seine Beine zu finden.Als er sich schließlich taumelnd hochrappelte, hatte Ringrichter Richard Steele bereits "zehn" erreicht und das Ende signalisiert.Botha schwankte und fiel nach dem Aus rückwärts in die Seile.Tyson fing ihn hilfreich auf.Dann umarmten sie sich immer wieder.

Welch innige Liebe, als alles vorbei war nach dem blanken Haß während des Kampfes.Nicht nur, daß sie sich ständig unflätig beschimpften.Vor allem Botha provozierte: "Ist das alles, was du drauf hast?." Nach dem Gong, der die erste Runde beendete, herrschte Chaos.Tyson und Botha verkeilten sich ineinander und keilten weiter aufeinander ein.Betreuer und Bodyguards stürzten in den Ring und halfen Steele, die ausgerasteten Fighter zu trennen."Tyson hat versucht, mir den Arm zu brechen", behauptete Botha.Armbruch statt Ohrbiß - wenn Tyson durchdreht, ist alles möglich.Ein frühe Schwellung über dem rechten Auge machte Tyson zusätzlich wütend.Ständig beschwerte er sich beim Ringrichter.

Weil der Wüterich auch in der zweiten Runde ständig im Clinch versuchte, Botha den Arm zu verdrehen, wurde er wegen Haltens verwarnt.Ein Punkt Abzug.In Tysons Ecke wurden die Sekundanten unruhig.Keine Schlagkombinationen, keine Beweglichkeit, keine Entschlossenheit.Nur Halten und Klammern und wilde Schwinger in die Luft."Ich habe mir Sorgen gemacht", verriet sein neuer Trainer Tommy Brooks."Nichts, was wir in zweieinhalb Monaten geübten hatten, funktionierte."

Mit 32 Jahren hat Mike Tyson nach den langen Zwangspausen (drei Jahre Gefängnis wegen Vergewaltigung, 19 Monate Sperre wegen der Ohrbisse) seine einstige Klasse, seinen behenden Kampfstil und seine Selbstsicherheit eingebüßt.Und auch seine alte Attraktivität: Die Buchungen im Zahlfernsehen (pay per view) blieben hinter den Erwartungen zurück.Die Arena (Preise 200 bis 1200 Dollar) war bei weitem nicht ausverkauft und wurde mit Hotel-Personal aufgefüllt.Prominentester unter den Prominenten (u.a.Raquel Welch, Jack Nicholson) war Muhammad Ali, der nach Mitternacht seinen 57.Geburtstag feierte.Tyson weiß, "daß ich bessere Shows bieten muß.Ich muß kämpfen." Seinen voraussichtlich nächsten Gegner kennt er auch schon, "und der Schulz wird auch k.o.-geschlagen."

HARTMUT SCHERZER

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