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Update

0:1-Niederlage gegen Tschechien: EM-Gastgeber Polen scheitert in der Vorrunde

Enttäuschung im Gastgeberland Polen: Die eigene Mannschaft schafft auch im dritten Vorrundenspiel gegen Tschechien keinen Sieg und verpasst damit das Viertelfinale bei der Heim-EM.

Mitte der zweiten Hälfte hatte sich im städtischen Stadion von Breslau eine seltsame Stimmung breit gemacht. Die meisten Zuschauer schmetterten aufmunternde Gesänge. Auf dem Rasen aber schlichen die Männer in Weiß herum als müssten sie eine viel zu schwere Last mit sich herumtragen. Als der Wolfsburger Petr Jiracek in der 72. Minute den Ball am polnischen Torwart Przemyslaw Tyton vorbei über die Linie schob, verstummten die Gesänge. EM-Gastgeber Polen war in der Vorrunde der EM im eigenen Land gescheitert und ist nach dem 0:1 gegen die Tschechen wie 2008 ohne einen Sieg ausgeschieden. Und dabei hatten sich viele Polen schon auf ein Viertelfinal-Duell gegen Deutschland vorbereitet. Ins Viertelfinale aber ziehen nach ihrem zweiten Sieg die Tschechen ein, denen zumindest an diesem Abend vorher nur eine Nebenrolle zugedacht war.

"Zur Halbzeit wussten wir, dass ein Punkt nicht reicht, und der Druck ist noch mehr gestiegen", sagte Tschechiens Torwart Petr Cech und ergänzte mit Blick auf den Gegner: "Es ist besser, Deutschland zu vermeiden, denn sie sind der Favorit des Turniers. Wir spielen lieber erst später gegen sie." Torschütze Jiracek war überglücklich: "Nach dem ersten Spiel hat uns das keiner zugetraut, aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt", sagte der Wolfsburger und erinnerte an den verpatzten Start beim 1:4 gegen Russland. Dagegen waren Polens Spieler untröstlich. "Es ist wirklich schwer, das Spiel jetzt zu bewerten, wir sind alle enttäuscht, ich möchte trotzdem unseren Fans danken, sie haben uns großartig unterstützt", sagte Polens Kapitän Jakub Blaszczykowski. Trainer Franciszek Smuda zeigte sich nach dem Abpfiff ratlos: "Vielleicht waren meine Spieler übermotiviert." Ob der 63-Jährige das Team auch künftig betreut, ließ er zunächst offen.

Den Plan, ein schnelles Tor zu schießen, konnten die Polen nicht umsetzen, was schnell eine gewisse Ratlosigkeit auslöste. Der ersten Viertelstunde, in der allein fünf große Chancen heraus gespielt wurden, folgte eine Phase der langen, hohen Bälle. Die Tschechen überstanden sie alle, dank polnischer Ungenauigkeit. Blaszczykowski, Lewandowski, Boenisch, Polanski - was sich liest wie die Gästeliste einer Abordnung aus der deutschen Bundesliga war die Liste der Gescheiterten des EM-Gastgebers bis zur 15. Minute. Wenig später kam Wasilewski dazu.

Bei strömendem Regen war es vielleicht auch nicht besonders leicht, genau zu spielen. Die Erwartungshaltung vor dem "vielleicht wichtigsten Spiels der polnischen Fußballgeschichte" (Blaszczykowski) jedenfalls war enorm. Auch dem musste die Mannschaft von Nationaltrainer Franciszek Smuda gerecht werden. An diesem Abend war Polen ein Land der leeren Straßen. Im Stadion mischten sich in die Gesänge bald auch einige Pfiffe, weil die polnischen Kicker doch mehr Mühe hatten als es sich manche wünschten.

Die Torwartfrage bei den Polen war das große Thema vor dem Spiel

Der Mann, der die heißesten Diskussionen im polnischen Fußball der vergangenen Tage ausgelöst hatte, spielte bis dahin nur eine Nebenrolle. Przemyslaw Tyton vom PSV Eindhoven rückte einmal in der 4. Minute in den Mittelpunkt als Vaclav Pilar die einzige Chance der Tschechen vergab. Wer im Tor stehen würde war bis wenige Stunden Gegenstand kontroverser Debatten im gesamten Land.

Im Eröffnungsspiel gegen Griechenland musste die ursprüngliche Nummer eins, Wojciech Szczesny wegen einer Notbremse (69.) vom Platz. Viel Zeit sich einzufinden hatte sein Vertreter Przemyslaw Tyton auf dem Rasen des Nationalstadions von Warschau nicht. Es waren ganze zwei Minuten bis Giorgios Karagounis den Elfmeter schoss, den Tyton hielt. Das ließ seine Sympathiewerte enorm steigen, bisher war Szczesny bei den Fans beliebter. Im zweiten Spiel gegen Russland stand Tyton wegen Szczesnys Sperre in Polens Tor. Seine Berufung für das wichtige Spiel gegen die Tschechen, könnte die Torwart-Rangfolge der Polen endgültig neu geordnet haben.

Bei den Tschechen waren die Personalfragen zwar weniger heikel, aber für die Struktur des Spiel dafür umso wichtiger. Spielmacher Tomas Rosicky saß in Breslau nämlich verletzt auf der Bank. Tschechien ohne den Ex-Dortmunder, davor sollen sich manche im tschechischen Kader regelrecht gefürchtet haben. Nun musste es im Kampf um den Einzug ins Viertelfinale ohne den Taktgeber gehen. Es ging in Hälfte eins, besser als gedacht. In der Schlussphase waren die Tschechen stärker. Tyton musste gegen Milan Baros (37.) retten.

Ihre Nervosität konnten die Polen zu Beginn der zweiten Hälfte nicht ablegen. Die Tschechen stellten geschickt die Räume zu. Bei der Verteidigungsarbeit waren die Polen zu oft zu weit von ihren Gegenspielern entfernt. Die Tschechen konnten ihre Kombinationen bis in den Strafraum fortsetzen. Chancen für Polen gab es jetzt nur noch wenige, die den Tschechen aber keine Mühe mehr bereiteten. Sie hatten eine weitere EM-Überraschung geschafft.

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