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Sport: 08.08.08, 08:08

Kein anderes Land ist so zahlengläubig wie China. Als Glücksbringer gilt vor allem die 8 – ob beim Heiraten oder beim Beginn der Spiele

Die Verkäuferin des kleinen Handyladens am Pekinger Jingshan-Park wittert ein gutes Geschäft: Reiche Ausländer wollen eine Sim-Karte kaufen. Sie zieht eine Karte hervor, tippt auf die Achten und Neunen der Telefonnummer. „Gute Zahlen“, sagt sie, „für nur 150 Yuan!“ Der Freund, der schon lange in Peking lebt, schüttelt den Kopf und verlangt eine Nummer mit vielen Vieren. Tatsächlich, Handynummer 13439041424 kostet inklusive Guthaben nur die Hälfte. Denn die 4 gilt in China als Unglückszahl.

Im Chinesischen können gleiche Silben je nach Aussprache unterschiedliche Bedeutungen haben. „Vier“ ähnelt dem Wort für „sterben“. Zwar bedeutet „si“ anders ausgesprochen auch „Glück“, „Seide“, „Schnecke“ und „in Streifen geschnitten“. Doch die negative Assoziation ist so tief bei den Chinesen verankert, dass Hersteller von Handys und Digitalkameras diese Ziffer in ihren Seriennummern aussparen – sie würde sich nicht verkaufen. In Hongkong, wo der Zahlenaberglaube am weitesten verbreitet ist, werden Häuser ohne viertes Stockwerk geplant. Ein Hochhaus, das alle Stockwerke mit Vieren vermeidet, hat dann zwar offiziell 50 Etagen – das Penthouse befindet sich aber im 36. Stock.

So verpönt den Chinesen die 4, so sehr lieben sie die 8. Denn die Glückszahl klingt wie das Wort „Reichtum“. Außerdem ähnelt die 88 einem Schriftzeichen, das so viel bedeutet wie „doppelte Freude“. Und aus dem taoistischen „Buch der Wandlungen“ stammt die Erkenntnis, dass die Linie der Ziffer 8 von ihrem tiefsten Punkt unweigerlich in die Höhe führt. Sie steht damit für den Wandel zum Guten. Heute, am 8.8.2008, wollen ganz viele Chinesen heiraten.

Tatsächlich erzielt die 8 immer wieder Rekordeinnahmen – für Telefongesellschaften und Verkäufer von Autokennzeichen. So gab die chinesische Fluglinie Sichuan Airlines 2003 rund 250 000 US-Dollar aus, um für ihre Hotline die Nummer 8888 8888 zu erwerben. Staatliche Versteigerungen von Nummernschildern in Hongkong erzielen jährlich neue Millionensummen.

Auch die 6 mit ihrer mitschwingenden Bedeutung „problemlos“ oder „viel versprechend“ steigert die Geschäfte. Wenn Olympiatouristen also die Nummer 666 in einem Pekinger Schaufenster hängen sehen, dann befinden sich dahinter keine Teufelsanbeter, sondern aufmerksame Ladenbesitzer. Die 9 mit ihrer Konnotation „lang andauernd“ ist besonders für Männer mit Weitblick interessant. Unübertroffen ist die Rekordsumme, die der Hongkonger Tycoon Albert Yeung Sau Shing für das Autokennzeichen mit der Nummer 9 bezahlte: 1,4 Millionen Euro. Manch ein Hongkonger wird darüber wohl gekichert haben: Denn die Zahlen 7 und 9 erinnern dort an das männliche Genital – und werden in SMS und Internetchats als Schimpfwort benutzt.

Mao hat seinerzeit übrigens versucht, den Zahlenaberglauben in der chinesischen Bevölkerung zu verbieten – ohne Erfolg. Dass die olympischen Sommerspiele heute am 08.08.2008 um 8.08 Uhr und acht Sekunden chinesischer Abendzeit beginnen, ist ein Eingeständnis der Regierung an den Volksglauben – und für die meisten Chinesen die Garantie für viele Goldmedaillen.

Lu Yen Roloff

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