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Sport: 1. Berliner Radgala: Rempelnde Radler

Heute schon gerempelt? Den Ellenbogen ausfahren und dem Nebenmann in die Seite stoßen kann jeder.

Heute schon gerempelt? Den Ellenbogen ausfahren und dem Nebenmann in die Seite stoßen kann jeder. Wenn man dabei auf dem Fahrrad sitzt, wird es schon schwieriger. Schließlich will der Schubser bei seiner Aktion nicht selbst ins Schlingern kommen oder gar abstürzen. Fachmännisches und effektives Stoßen erfordert, so seltsam es anmuten mag, Disziplin. Der richtige Zeitpunkt des Übergriffs muss abgepasst, eine Rempel-Taktik ausgetüftelt werden. Und einfach ein paar Tage oder gar Wochen zu faulenzen, ist auch nicht möglich. "Ich habe im Urlaub jeden zweiten Tag auf dem Rad gesessen", sagt Jens Fiedler, der Vize-Weltmeister im Keirin, wie der japanische Kampfsprint offiziell heißt, "so ein Rennen kann man nicht aus dem Ärmel schütteln".

Bewusstes Rennen ist die 1. Berliner Radgala, bei der Fiedler heute im Velodrom (18 Uhr) antritt, gemeinsam mit fünfzehn anderen Superstars, Olympiasiegern und Weltmeistern. Die acht deutschen Fahrer, darunter die Berliner Robert Bartko und Guido Fulst, messen sich in einem Mehrkampf mit dem Rest Europas. Keirin ist neben Sprint und olympischem Jagdrennen eine der Disziplinen. Eigentlich geht es um nichts, erst bei den Sechstagerennen im Januar ist wieder Fiedlers höchster Einsatz gefordert. Dennoch hat er es nicht fertig gebracht, zu Hause in Chemnitz radlose Ferien zu machen.

Dass den 30-Jährigen solcher Ehrgeiz gepackt hat, liegt an Monsieur Magne. Der Franzose, mit Vornamen Frederic, hat Fiedler bei den Weltmeisterschaften in Manchester Ende Oktober auf den zweiten Platz verwiesen. Magne hatte eigentlich bereits sein Karrierende verkündet, springt aber in Berlin für seinen verletzten Landsmann Arnauld Tournant ein. Und dieser Aufschub der Radlerrente kommt Fiedler gerade recht. Der Deutsche, in den vergangenen beiden Jahren Weltmeister im Keirin, will die Revanche. "Die Niederlage wurmt mich schon noch, sonst wäre ich auch ein schlechter Sportsmann", sagt Fiedler, "ich freue mich auf Magne." Bei Olympia in Sydney holte Fiedler Bronze statt des erhofften Goldes - die Weltelite zum Jahresende doch noch abzuschütteln, wäre so schlecht nicht.

Keirin ist Fiedlers große Liebe. An ihr schätzt er, dass sie so ganz anders ist als die herkömmlichen großen Lieben. Zärtlichkeit und behutsame Annäherung sind gerade nicht erwünscht, "mir gefällt, dass es etwas ruppiger zugeht". Insgesamt hat Fiedler mittlerweile fast ein Jahr in Japan verbracht und dort Keirinrennen bestritten. Die Japaner setzten auf die Fahrer wie auf Pferde, die Akteure werden zeitweise in Quarantäne gehalten, damit keine Absprachen über den Rennausgang getroffen werden können. Schlüsselbeinbrüche sind Teil des Spektakels.

"Man hat im Keirin viel mehr Möglichkeiten, seine Erfahrung umzusetzen", sagt Fiedler. Mehr als im Sprint, wo der Olympiasieger von Barcelona und Atlanta bei der WM 1999 dem Franzosen Laurent Gané unterlag. Und das ausgerechnet in Berlin. Mit Gané, der bei der Radgala nicht antritt, ist er inzwischen quitt, hat er ihn doch in Sydney im Kampf um Bronze besiegt. Einer der stärksten Kontrahenten ist Jan van Eijden, der amtierende Weltmeister - und der steht im Team Deutschland. Die Bahn im Velodrom liege ihm, sagt Fiedler, der auf viele Zuschauer hofft. "Die Veranstaltung ist neu, voll wird die Halle kaum werden", meint er allerdings. Dabei sieht man rempelnde Radler nun wirklich nicht alle Tage.

Helen Ruwald

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