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Sport: 1. FC Kaiserslautern: Aufstand der Anständigen

Es gibt Sonnabende, da hassen Schiedsrichter ihren Beruf. Dann könnten sie ihre Wut nur dadurch therapieren, wenn sie alle Fernseher hierzulande aus dem Fenster werfen dürften.

Es gibt Sonnabende, da hassen Schiedsrichter ihren Beruf. Dann könnten sie ihre Wut nur dadurch therapieren, wenn sie alle Fernseher hierzulande aus dem Fenster werfen dürften. Denn jeder Bildschirm zerlegt sie und ihre Fehler in Zeitlupe, ein Spiel, bei dem sie keine Chance haben - und am Ende des Films kommen sie als "Blinde" oder "Pfeifen" aus diesen Kisten. Urteile, die dann nicht nur bis Montag, sondern sehr viel länger dauern.

Für Hellmut Krug aber hat diese Woche gut angefangen. Dass er vom Platz in die Kabine des Fritz-Walter-Stadions den Schutz einer ganzen Staffel Ordner mit mehreren Regenschirmen gebraucht hat, weil fanatisierte Parteigänger des 1. FC Kaiserslautern mit Münzen, Feuerzeugen und Bierbechern nach ihm warfen, gilt in der Branche nicht unbedingt als schlechtes Urteil. Bereits in der Pressekonferenz lobte Wolfgang Wolf, der Trainer des VfL Wolfsburg, den Mut des Schiedsrichter, und später im "Sportstudio" des ZDF erschien Krug als mit Abstand bester Mann aus der Nullnummer von Kaiserslautern. Denn in den entscheidenden Szenen lag der Herr im gelben Hemd absolut richtig. Die Rote Karte gegen den Wolfsburger Biliskov wegen einer Notbremse war ebenso korrekt wie Gelb-Rot gegen Lauterns Tomasz Klos nach wiederholtem Foulspiel.

Jene Karte aber, die Krug das konzentrierte Lob der Branche eintrug, war nur von gelber Farbe - und zum Teil hatte der Chef diese Entscheidung auch seinem Assistenten Rainer Werthmann zu verdanken. Von dem war ein eindeutiges Handzeichen gekommen, als Jörgen Pettersson in der 83. Minute das Spiel durch einen Betrug gewinnen wollte. Obwohl der schwedische Nationalspieler den Torwart schon fast umkurvt hatte, ließ er sich mitten im Lauf fallen, er wollte einen Strafstoß provozieren, vortäuschen, dass Keeper Claus Reitmeier ihn von den Beinen gezogen habe.

Es wäre ein schmutziger Elfmeter gewesen. Und selbst Mario Basler, der ja nicht unbedingt zu den Moralisten der Liga gehört, verurteilte den Kollegen: "Gott sei Dank haben wir nicht durch diese Schwalbe gewonnen." Trainer Andreas Brehme wetterte über "diese Frechheit" und entschuldigte sich dafür öffentlich bei Wolfgang Wolf. Man kann davon ausgehen, dass am späten Abend in einem Lauterer Lokal, wo die beiden Fußball-Lehrer, die sechs Jahre lang auf dem Betzenberg Spind an Spind gelebt hatten, ihr Wiedersehen auf der Trainer-Ebene feierten, noch ganz andere Worte gefallen. "Tritt ihn irgendwo hin, aber so, dass es richtig weh tut", sagte Wolf. "Das hat Konsequenzen", versprach Brehme, "aber ich weiß nicht, ob bei dem eine Geldstrafe hilft."

Auf den blondgefärbten Schweden kommen harte Tage zu. Die Mannschaft wirft Pettersson vor, dass er aus Feigheit den Sieg verschenkt hat. "Er muss verdammt noch mal ein Tor machen, wenn er so dasteht", schimpfte Andreas Buck. Und auch im Management der Pfälzer weiß man, dass sich Wolfs Vorwurf ("Der Pettersson leidet an Fallsucht") leicht belegen lässt. In Glasgow, beim vorletzten Uefa-Cup-Match hatte sich der 25-jährige Schwede ebenfalls wegen eines vorgetäuschten Sturzes eine Verwarnung und Spielsperre eingehandelt.

Noch bevor die alten Haudegen vom Betzenberg in Deutschlands emotionalster Arena den Anstand propagierten, hat sich Torhüter Claus Reitmaier den Provokateur geschnappt. Bei der nächsten Zweikampfchance erwischte die Faust den Ball samt Petterssons Kopf. Die zehn Zentimeter lange Risswunde wird heilen. Mit anderen Folgen muss der Schwede länger leben. Als notorischer Falschspieler ist die Nummer 9 nun im Kopf eines jeden Schiedsrichters gespeichert - und selbst wenn er in Zukunft von einem Verteidiger voll umgesenst wird, werden seine Richter erst mal an eine vorsätzliche Flugeinlage denken.

Martin Hägele

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