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Mario Eggimann, 34, spielte für den FC Aarau, den Karlsruher SC, Hannover 96 und Union Berlin. Für die Schweiz bestritt er zehn Länderspiele.

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1.FC Union Berlin: Mario Eggimann: „Nicht alle Fußballer sind Millionäre“

Unions Verteidiger Mario Eggimann spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über seinen Abschied vom Berliner Zweitligisten, finanzielle Ängste und den Umgang mit jüngeren Spielern.

Herr Eggimann, Sie werden am Sonntag beim Heimspiel des 1. FC Union gegen Braunschweig (15.30 Uhr) verabschiedet. Wegen einer Verletzung können Sie nicht spielen. Wie traurig sind Sie darüber?

Natürlich hätte ich gern noch einmal gespielt, aber es geht nicht. Die Schmerzen sind noch da. Deshalb hätte es auch wenig Sinn ergeben, auf Biegen und Brechen mit der Mannschaft zu trainieren oder zu sehen, dass ich noch einmal auf der Bank sitze. Ich freue mich auch so, im Stadion zu sein. Die Alte Försterei ist einfach speziell, die Atmosphäre außergewöhnlich in Deutschland.

Sie konnten seit Ihrer Verpflichtung 2013 aufgrund von Verletzungen nur 17 Spiele für Union bestreiten. Können Sie verstehen, dass es im Nachhinein Kritik an Ihrer Verpflichtung gibt?
Ich habe die Leute bei Union so kennengelernt, dass Probleme intern angesprochen werden. Klar hat man zusammengesessen und über Dinge geredet. Auge in Auge. Es ist ja nicht so, dass ich irgendetwas absichtlich gemacht habe.

Sie laborieren seit Monaten an einer Sprunggelenkverletzung. Warum zieht sich der Genesungsprozess so lange?
Das Problem könnte sein, dass ich nach meinem Fußbruch vor drei Jahren schon nach drei Monaten wieder Bundesliga gespielt habe. Das war vielleicht zu schnell. Wir haben eine unheimliche Power bei dem, was wir machen, und wenn da die Stabilität fehlt, dann passiert manchmal auch schnell was.

Bekommen Fußballer heute noch ausreichend Zeit, eine Verletzung auszukurieren oder machen die Vereine Druck?
Das hängt vom Verein ab. Union hat in dieser Hinsicht nie eine Drohkulisse aufgebaut, da war alles top. Aber als Sportler macht man sich selbst Druck. Jeder hat den Ehrgeiz, so schnell wie möglich wieder bei der Mannschaft zu sein.

Haben Sie konkrete Vorstellungen, was Ihre Zukunft betrifft?
Wichtig ist, dass ich gesund werde. Mein Ziel ist, nochmal Fußball zu spielen. Aber unabhängig davon steht fest, dass ich auch nach meiner Karriere im Sport bleiben will, in irgendeiner Funktion.

Müssen Profifußballer nach der Karriere noch arbeiten?
Das kommt auf den Menschen an. Im Vergleich zu anderen Berufen werden wir sehr, sehr gut bezahlt. Man darf aber nicht vergessen, dass wir unseren Beruf nur bis Mitte 30 ausüben können. Wenn du mit 17 Jahren eine Ausbildung gemacht hast und dich dann nach 20 Jahren bewirbst, dann sagen die auch nicht: „Herzlichen Glückwunsch, wir haben auf Sie gewartet.“ Da hat man zuerst richtig Probleme. Nur weil einer stets Zweite Liga gespielt und gespart hat, heißt das nicht, dass er für sein komplettes Leben danach ausgesorgt hat.

Viele Menschen denken, Fußballer wären alle Millionäre.
Das ist bei weitem nicht so. Man hört immer von irgendwelchen Spielern von Topklubs, die wirklich so viel verdienen. Aber wenn man schaut, wie viele Profifußballer es gibt, dann sind die Spitzenverdiener ein geringer Prozentsatz. Das ist ein sehr harter Beruf, mit hohen Anforderungen ans Körperliche. Viele haben nach der Karriere körperliche Probleme.

Und die Psyche?
Heutzutage wirst du als Spieler von A bis Z durchleuchtet. Mit den sozialen Medien, mit irgendwelchen Datenbanken. Es kommt unheimlich viel von außen und das ist sehr, sehr fordernd. Ich glaube, das wird unterschätzt. Nicht falsch verstehen: Ich möchte nicht sagen, dass es schlimmer ist als in anderen Berufen, aber es ist auf jeden Fall gleichwertig. Es ist nicht immer nur das supertolle. lockere Leben, sondern auch harte Arbeit.

Wie sehr dürfen Spieler Kritik an sich heranlassen?
Man muss das für sich richtig einordnen. Ich darf das nicht persönlich nehmen. Wenn man aber die ganze Zeit darüber nachdenkt und guckt, was jemand in irgendeinem Forum geschrieben hat, dann ist das sehr belastend.

Benutzen Sie soziale Medien?
Ich habe einen offiziellen Facebook-Account. Mir ist es wichtig, dass Leute die sich dafür interessieren, auch meine Meinung kennen. Man muss aber auch vorsichtig sein, dass man nicht zu viel von sich Preis gibt. Ich kann nicht sagen, ich rede nicht mit der Presse, gebe aber über die sozialen Netzwerke alles raus.

In welchen Bereichen hat sich der Fußball noch verändert?
Früher, als ich angefangen habe, gab es noch mehr diese älteren, erfahrenen Spieler, echte Typen. Heute ist das Spiel an einem Punkt, wo es unheimlich intensiv, unheimlich schnell ist. Da setzt man immer mehr auf jüngere Spieler, weil die diese Leistung regelmäßig abliefern können. Alles ist intensiver geworden. Als ich 17 war und Profi geworden bin, hatten wir ältere Spieler, die haben zwei Mal die Woche weniger trainiert als wir jungen, weil es hieß, die brauchen mehr Erholung. Heute, bei dem Leistungsstandard den man haben muss, um eine Chance zu haben, geht es nicht mehr. Es passt von der Hierarchie und vom Leistungsvermögen nicht mehr.

Hat sich der Umgang der älteren Spieler mit den jüngeren so sehr geändert?
Ja. Ein Beispiel: Ich habe eine 20 Zentimeter lange Narbe von einer „Erziehungsmaßnahme.“ So hieß das damals, wenn ein Alter einen Jungen im Training umgehauen hat. Ich bin dann auch schon mal mit Tränen in den Augen auf dem Fahrrad nach Hause gefahren.

Haben Sie bei Union mal einen Jüngeren einfach so umgegrätscht?
Nicht mit Vorsatz. Aus heutiger Sicht wäre es vereinsschädigend, jemanden einfach so umzugrätschen. Ich glaube, dass die Jungen den gleichen Respekt verdient haben. Früher musste man sich Respekt bei den Alten verdienen. Heute ist das nicht mehr zeitgemäß.

Müssen junge Spieler heute mehr leisten?
Sie müssen früh sehr weit in ihrer Persönlichkeit sein. Wenn du heute über 21 und noch nicht Stammspieler bist, musst du schon anfangen zu gucken. Du hast in jungen Jahren eine sehr hohe Verantwortung heutzutage. Das ist für den einen oder anderen nicht immer einfach.

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