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Sport: 1. FC Union: Zur Weltmeisterschaft reicht es nicht mehr

Es ist Sommer, kalendarisch jedenfalls. Wer trägt da schon Handschuhe?

Von Karsten Doneck, dpa

Es ist Sommer, kalendarisch jedenfalls. Wer trägt da schon Handschuhe? Nun ja, zum Beispiel ein Fußball-Torwart. Der geht nun mal nicht ohne an seinen Arbeitsplatz. Oskar Kosche ist so ein Torhüter. Und die Handschuhe? "Die liegen zu Hause im Schrank - und den muss ich sowieso mal aufräumen", sagt er. Nicht ausgeschlossen, dass Kosches Torwart-Handschuhe dann im Müll-Container entsorgt werden - oder, im günstigeren Fall, in oder an den Fingern eines Fußballfans landen.

Oskar Kosche hat den oft unruhigen Wach- und Flugplatz zwischen den Pfosten nämlich getauscht gegen einen bequemen Sitzplatz hinter dem Schreibtisch. Nach Ablauf der vorigen Saison wurde der 32-Jährige vom Regionalligisten 1. FC Union, der heute (14 Uhr, Alte Försterei) zum ersten Punktspiel den VfB Lübeck empfängt, zum Manager bestellt. Dass er mal Betriebswirtschaft studiert hat und eine Zeitlang auf der Geschäftsstelle des Köpenicker Klubs hospitierte, kommt ihm im neuen Job zugute.

Als Torhüter ist dieser Mann zu einer Symbolfigur beim Union-Anhang geworden. Kosche und Union, Union und Kosche - das gehört zusammen, das ist wie eine alte, auf gegenseitigem Vertrauen basierende Ehe. Auch da gehen manche Partner mal vorübergehend auf Distanz, ohne dass die Beziehung grundlegend Schaden nimmt. Kosche hat seine Auszeit gehabt: Nach sechs Jahren Regionalliga beim 1. FC Union war er zur Saison 1999/2000 zu Babelsberg 03 gewechselt. Nicht ganz freiwillig allerdings. Kosche hatte sich mit dem damaligen Union-Trainer Fritz Fuchs überworfen. "Wenn so viel schief läuft wie damals bei uns, dann muss man auch mal den Mund aufmachen", meint Kosche. Rückgrat hat er. Denn ihm war auch klar, dass Kritik am Trainer meist postwendend die Bestrafung des Kritikers nach sich zieht. Union-Präsident Heiner Bertram reagierte wie erwartet. Er schickte Kosche davon. Schweren Herzens vielleicht, aber der Torwart fand dafür Verständnis. "Wer dem Trainer vertraut, der darf nicht auf Kosche hören", sagt er.

Fortan faustete Kosche bei Babelsberg 03 die Bälle ins Feld zurück. Der dortige Präsident Detlef Kaminski bot ihm unlängst eine Vertragsverlängerung an. Kosche sagte zu und bat nur kurze Zeit später, "mich aus meinem Wort wieder zu entlassen". Ein Telefonanruf hatte seine Pläne durcheinander gebracht. Heiner Bertram hatte ihn gebeten, vom Torwart-Dasein Abschied zu nehmen und bei Union als Manager einzusteigen. Kosche brauchte nur eine Nacht Bedenkzeit, um einzuwilligen. Mit dieser Personalie zog Union auch eine baumstammdicke Trennungslinie unter jene unselige Vergangenheit, als dubiose Manager wie Pedro Brombacher oder Gerd Kische den Verein ungehindert in Verruf bringen konnten.

Oskar Kosche ist also wieder bei Union. Und irgendwie gehört er dort auch hin, in den Kiez rund um die Wuhlheide. "Gleich um die Ecke bin ich groß geworden", sagt er. Seine emotionale Bindung zu Union ging selbst in Babelsberger Tagen nie in die Brüche. Da waren zum Beispiel die Zweitliga-Aufstiegsspiele mit den für Union so tristen Resultaten. "Die Spiele in Osnabrück und Ahlen habe ich mir zu Hause mit der Familie im Fernsehen angeschaut. Da wurde zwei Stunden lang kein Wort geredet", sagt Kosche. Union - das hat für ihn nach wie vor das gewisse Etwas. "Gerade wenn mal schlechte oder traurige Zeiten kommen, ist es erstaunlich, mit welcher Vehemenz sich die Leute dann hinter diesen Klub stellen."

Nur die Torwarthandschuhe - die wird Kosche nicht wieder anziehen. Auch nicht, wenn mal Not am (Tor-)Mann sein sollte. Es ist ein Abschied mit nur wenig Wehmut. "Bis zur Weltmeisterschaft", sagt Kosche, "hätte ich es ja doch nicht mehr geschafft."

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