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© dpa

100 Jahre BVB: Kirche, Kohle, Bier

Ein Jahrhundert in Schwarz-Gelb – zum Jubiläum gibt es neue Bücher über die wechselvolle Geschichte des Fußballmythos Borussia Dortmund

In seinem Grußwort erinnert Theo Zwanziger an eine Handvoll großer Borussen. Lothar Emmerich und Siggi Held natürlich, Stan Libuda, Matthias Sammer, Reinhard Rauball und Ottmar Hitzfeld. Vermutlich aus Gründen der Pietät hat der Fußballpräsident einen Mann weggelassen, der Aufstieg und Fall von Borussia Dortmund in der jüngsten Vergangenheit verkörpert. 18 Jahre war Gerd Niebaum Präsident der Dortmunder, kaufte dem Verein ein Weltklasseteam zusammen, das 1997 die Champions League gewann, und führte den Klub 2004/05 an den Rand der Insolvenz.

Das ist eine Geschichte aus den vergangenen 100 Jahren. Auf 456 Seiten im DIN-4-Format mit 900 Fotos gibt es jede Menge andere; traurige und wunderbare, wie das eben so ist im Fußball. Herausgekommen ist ein echter Schmöker zum runden Geburtstag, historisch-chronologisch aufgebaut, am Anfang mit einem kleinen Ausflug ins Mutterland Großbritannien und einer sozioökonomischen Betrachtung des Kohlenpotts.

Mitte des 19. Jahrhunderts war Dortmund ein Bauernnest mit gut 11 000 Einwohnern. Dann begann die Industrialisierung und 1909, im Jahr der Vereinsgründung, waren es 200 000, 1930 mehr als eine halbe Million. Kohlezechen und Eisenhütten zogen die Menschen an – vor allem auch aus den damaligen Ostgebieten Preußens, die „Ruhrpolen“. Borussia ist übrigens der lateinische Begriff für Preußen. Das kann man alles lesen in dem schwergewichtigen Buch, und das große Format bietet dazu reichlich Platz für Fotos.

„Die meisten proletarischen Klubs im Ruhrgebiet entstanden aus dem Umfeld von Kirche, Kneipe und Betrieb.“ Doch im vorliegenden Fall versuchte Kaplan Dewald die Vereinsgründung am Borsigplatz in der Kneipe „Zum Wildschütz“ zu verhindern. Vergeblich. Die Bedeutung von Kirche, Kohle und Bier beleuchten die Autoren ebenso wie die Gründungsväter und überhaupt die prägenden Figuren des Vereins. Das macht das Blättern im Band abwechslungsreich. Doch selbstverständlich steht das Spiel im Mittelpunkt. Und der Kampf und der Krampf. Das erste Spiel gegen Schalke ging im Mai 1925 2:4 aus. Den ersten Sieg gegen Schalke gab es dann endlich am 14. November 1943, natürlich im Stadion „Rote Erde“. Doch Meister wurden wieder – die verdammten Schalker.

Man macht viel mit als Fußballfan, das ist eine Binsenweisheit. Beim Nachlesen wundert man sich trotzdem, was man schon alles ertragen musste als BVB-Anhänger. Zum Beispiel ein Dutzend Trainer in den vergangenen zehn Jahren. Der Verlust jeden Maßes unter Niebaum – in der Saison 2001/2002 investierte der Verein 132 Millionen Mark in neue Spieler. Marcio Amoroso kostete rund 50 Millionen Mark, schoss aber nur eine Saison Tore. Eigentlich ging es bergab nach dem Sieg über Juventus Turin im Finale der Champions League 1997.

Nach dem größten Vereinserfolg war die Zeit von Trainer Ottmar Hitzfeld abgelaufen. Es folgten überaus holprige Jahre mit dem Ausreißer 2002, als die Mannschaft mit Matthias Sammer noch einmal Meister wurde. Dann kamen bald die „düsteren Jahre“ 2004/05. Die Autoren nehmen kein Blatt vor den Mund, wie sich das auch gehört für Westfalen. Und die Spielberichte, von denen es jede Menge gibt, sind schnörkellos und ohne den Tand, der heute häufig die Fußballberichterstattung schwer erträglich macht. Ein gelungenes Buch voller Emotionen und Figuren. Dem Anlass eines 100-jährigen Geburtstags angemessen. Ganz anders ist „Meine Borussia“, mit „Bildern aus 40 Jahren Sportfotografie“. Es gibt eben nur Fotos, ein weinender Fan ebenso wie der heulende Fußballgott Jürgen Kohler bei seinem Abschied. Und selbstverständlich jede Menge Jubelbilder. Auch schön, mit Hilfe der Fotos Erinnerungen hervorzukramen.

Glückauf!

Dietrich Schulze-Marmeling/Gerd Kolbe: Ein Jahrhundert Borussia Dortmund 1909 bis 2009. Verlag Die Werkstatt. 456 Seiten, 39,90 Euro.
Bodo Goeke: Meine Borussia, Bilder aus 40 Jahren Sportfotografie. Klartext Verlag, 14,95 Euro.

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