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Blickfang in Weiß-Rot. Das Warschauer Nationalstadion ist gerade noch rechtzeitig zur EM fertig geworden.

© dpa

100 Tage vor EM-Start: Viel Arbeit und ein bisschen Euphorie

100 Tage vor dem ersten Spiel der Europameisterschaft ist in den Gastgeberländern Polen und Ukraine noch allerlei zu tun. Dafür ist die Vorfreude bei den Fans schon spürbar.

Die Unterführung riecht nach Urin, alte Elektrokabel hängen herunter, die Hinweisschilder zu den Bahnsteigen sind zerbrochen. So präsentiert sich hundert Tage vor dem Anpfiff der Europameisterschaft 2012 der Warschauer Ostbahnhof, „Warszawa Wschodnia“, ein Verkehrsknotenpunkt von internationaler Bedeutung. Nur 800 Meter entfernt liegt das neue Nationalstadion, doch ausgerechnet hier dem Berlin-Warschau-Express zu entsteigen, kann man heute keinem noch so hart gesottenen Fußballfan raten. An der Bahnhofshalle wird zwar schon seit Monaten geschweißt und gehämmert, doch dass der Bahnhof aus realsozialistischer Zeit per Anfang Juni fertig renoviert sein wird, will inzwischen niemand mehr garantieren.

Der Warschauer Ostbahnhof ist ein Sinnbild für die jahrzehntelange Vernachlässigung der Infrastruktur in Polen. Diese für die Europameisterschaft zu modernisieren, verlangt mehr als milliardenschwere EU-Zuschüsse und schöne Worte aus dem Sportministerium. Und doch herrscht 100 Tage vor der EM Euphorie in Polen. „In vier Jahren sind die Vorbereitungen von 5 auf 94 Prozent geklettert“, sagt Marcin Herra, Direktor der staatlichen polnischen EM-Koordinationsgesellschaft PL 2012.

Die offiziell fehlenden sechs Prozent allerdings könnten den Fans das Vergnügen verderben. Polens vier EM-Stadien werden bis zum 8. Juni bereit stehen. Auch bei den Flugplätzen an den Spielorten Warschau, Breslau, Posen und Danzig gibt es kaum Probleme. Schlimm steht es jedoch um die Zufahrtswege zu den Spielorten. Die S-Bahnverbindung vom Warschauer Flughafen zum Stadion wird kaum mehr fertig, ebenfalls jene in Danzig sowie eine geplante Straßenbahn in Posen. Die größte Schwachstelle ist 100 Tage vor Turnierstart die Bahn. Die von der Uefa geforderten maximal vier Stunden Reisezeit zwischen den Spielorten kann nur zwischen Breslau und Posen sowie Posen und Warschau eingehalten werden. Zwischen Danzig und Breslau sitzt man sieben Stunden im Zug, für die 300 Kilometer zwischen Warschau und Danzig braucht es fast fünf Stunden.

Unvollständig wird auch das polnische Autobahnnetz sein. Von Deutschland in die Ukraine fehlen die längsten Abschnitte. Überlandstraßen sollen es richten. Lücken gibt es auch zwischen Breslau und Danzig sowie zwischen Berlin und Warschau. Allerdings sollen provisorische Freigaben auch Sandpisten befahrbar machen – etwa bei Lodz, wo die Chinesen eine Billigautobahn hätten bauen sollen. In Österreich seien die Autobahnen während der EM 2008 auch rund um die Uhr nachgebessert worden, tröstete am Dienstag die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ die Polen.

Noch unklar ist auch, wo die bis zu 1,5 Millionen erwarteten Fans übernachten werden. Rund um die vier Spielorte gibt es nur gut 400 000 Hotelbetten. Die restlichen Gäste sollen auf Campingplätzen und in Privatwohnungen unterkommen. Mieter von stadionnahen Wohnanlagen werden von Immobilienagenturen mit Lockangeboten bombardiert. Bis zu 2000 Euro soll im Juni für die Räumung einer Zweizimmerwohnung wert sein. Viele Familien würden für diese Zeit zur Schwiegermutter oder in die Garage umziehen, berichtet die Lokalpresse.

Mindestens genauso schlimm wie in Polen soll es um die Infrastruktur in der Ukraine bestellt sein. Allerdings dürfte der größte Flächenstaat Europas viel weniger Auto- und Bahnreisende anziehen. Offiziell rechnet man nur mit einem Bedarf von 60 000 Hotelbetten. „Wenn das nicht reicht, stehen genügend Studentenheime zur Verfügung“, versichert Infrastrukturminister Boris Koleschnikow. Nicht zuletzt wegen Menschenrechtsverletzungen hat die Ukraine ein Imageproblem hat. Das spiegelt sich auch bei der Belegung der Mannschaftsquartiere wider. 13 von 16 EM-Teilnehmer werden während der Europameisterschaft in Polen wohnen.

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