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Sport: 14 gegen einen

Deutschlands Turner wollen nicht zusammengezogen werden

Von Jürgen Roos

Stuttgart. Felgen, Salti, Schrauben. Kunstturner haben einen bewegten Alltag, was eigentlich nichts Neues ist. Überhaupt nicht alltäglich ist freilich, was sich zur Zeit bei den deutschen Kunstturnern abspielt. Nachdem am vergangenen Wochenende der Chef-Bundestrainer Rainer Hanschke von seinem Amt zurückgetreten ist, steht der Deutsche Turnerbund (DTB) vor einer tiefen Krise: Die 14 Turner des so genannten Athen-Kaders haben sich in einem Brief an den DTB-Präsidenten Rainer Brechtken gewandt, am Samstag soll in Berlin ein Gespräch mit dem obersten Vorturner stattfinden, zu dem die Athleten aus ganz Deutschland anreisen wollen.

Dass die Turner aus eigener Initiative direkt das Gespräch mit ihrem Präsidenten suchen, dürfte in der Geschichte des DTB einmalig sein. Und es zeigt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Athleten und dem für den olympischen Spitzensport zuständigen DTB-Vizepräsidenten Eduard Friedrich sowie dem Sportdirektor Wolfgang Willam gestört ist. Friedrich, Willam und Hanschke hatten die Turner und deren Heim-Trainer in der vergangenen Woche darüber informiert, dass zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele die 14 besten Turner auf die beiden Stützpunkte in Berlin und Stuttgart verteilt werden sollen. Dass die Reaktion darauf so heftig ausfallen würde, hatte offenbar keiner erwartet. Die Turner teilten Cheftrainer Hanschke mit, dass sie das Vertrauensverhältnis schon seit einiger Zeit gestört sähen, worauf dieser zurücktrat.

Die Kritik geht aber weiter und bezieht sich vor allem auf den Umgang des Vizepräsidenten Friedrich mit Athleten und Trainern. „Ich hoffe, dass es keine Machtprobe wird, sondern eine Vernunftprobe“, sagt Eduard Friedrich. Er will mit der Konzentration der Kräfte in Berlin und Stuttgart neue Konkurrenz schaffen – und damit eine größere Leistungsfähigkeit für die Spiele 2004 in Athen. „Das ist doch eine uralte Regel“, sagt Friedrich, „nichts ist der Leistung zuträglicher als die besten Leute aufeinander zu hetzen – und zwar Tag für Tag.“ Er wolle es in die Köpfe seiner Kritiker bekommen, dass die Deutschen in Athen durchaus um die Plätze drei bis sechs mitturnen könnten, „wenn sie es nur wollen". In Sydney 2000 hatte die DTB-Riege Platz zehn erreicht.

Turner und Trainer teilen diese Ziele, sind aber mit den Plänen ihres Vizepräsidenten ganz und gar nicht einverstanden. Die Sache ist heikel, weshalb sich nur wenige öffentlich äußern möchten. Hauptkritikpunkte: Die Athleten fürchten, dass sie aus ihrem gewohnten sozialen und Trainingsumfeld gerissen werden – und natürlich die Stilfrage. „Es gibt niemanden, der dafür ist. Kein Trainer und kein Athlet“, sagt Reinhard Rückriem, in Hannover der Heim-Trainer des Olympiakandidaten Sergej Pfeiffer.

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