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Sport: 1920 Sekunden Rooney

Der englische Stürmer kommt, das Spiel dreht sich

Nürnberg - Ich? Wayne Rooney tippt sich an die Brust und macht ein ungläubiges Gesicht. Soll alles plötzlich vergessen sein, 47 Tage öffentliches Leiden nach seinem Mittelfußbruch, 47 Tage öffentlicher Streit über seine Fitness? Ja, Du! Trainer Sven Göran Eriksson deutet auf ihn, kein Zweifel. Der englische Wunderstürmer von Manchester United soll sein gelbes Trainingsleibchen abstreifen, um bei der Weltmeisterschaft aufzulaufen. Es ist die 58. Spielminute gegen Trinidad & Tobago, noch immer steht es 0:0. Zeit für ein Zeichen. Zeit für ein Wunder?

Sein erstes Zuspiel landet im Aus, Zweikämpfe meidet er, und ein Tor – das wäre sicherlich zu viel verlangt von diesem mit Erwartungen und Sprechchören überhäuften 20-Jährigen. Rooney tändelt über den Platz, er rennt viel, aber schnell genug ist er noch nicht. Mit dem Ball pflegt er eine konfliktreiche Beziehung. Doch all das zählt nicht im Nürnberger Frankenstadion. Denn abgesehen vom späten 2:0-Sieg der Engländer durch Tore von Peter Crouch und Steven Gerrard, abgesehen vom vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale, und ja, abgesehen von der herausragenden Leistung des wieder erstaunlich disziplinierten Außenseiters aus Trinidad & Tobago – abseits all dessen reduziert sich dieses Spiel auf jene 1920 Sekunden, in denen Wayne Rooney seinem Land den Glauben zurückgibt.

Sogar der für Rooney herausgenommene Newcastle-Angreifer Michael Owen gestand später ein: „Die Wechsel haben sich für die Mannschaft als richtig erwiesen.“ Trainer Eriksson, der inmitten der Aufregung um das englische Team eine fast großväterliche Ruhe ausstrahlt, gab sich nach dem Spiel zufrieden mit dem Coup. „Ich bin froh, dass er wieder fit ist, um in ein Spiel zu gehen“, sagte er, ohne zu verhehlen, dass „Wayne noch nicht hundertprozentig in Form ist“. Dem Druck des englischen Fußballverbandes, dem Rooneys Verein Manchester United wiederum mit einer Klage drohte, hatte Eriksson widerstanden und – nach einem offiziellen Unbedenklichkeitstest zweier extra eingeflogener Mediziner – Rooney gebracht. Schließlich muss der 40 Millionen Euro teure Starshooter bis zu den wichtigen Spielen in Form kommen.

„Er muss geduldig sein und darf angesichts der Erwartungen nicht überdrehen“, gab Kapitän David Beckham zu bedenken. „Aber die Welt verdient es, einem solchen Spieler zuschauen zu dürfen.“ Bei Beckham und vielen anderen Spielern, die sich für einen Einsatz des Stürmers ausgesprochen hatten, dürfte Eriksson mit der Einwechslung Kredit eingespielt haben. Frank Lampard brachte es auf den Punkt: „Wayne hat die Wende gebracht, obwohl er selbst das Spiel nicht entschieden hat.“

Und Rooney? Er hielt sich nach dem Abpfiff abseits des Trubels. Der Erlöser konzentriert sich aufs Spiel, 1920 Sekunden sollen erst der Anfang sein.

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