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Michael Hartmann und Andreas Schmidt, Ex-Profis von Hertha BSC.

© Kai-Uwe Heinrich

25 Jahre Deutsche Einheit: Für Hertha BSC kam die Wende zu früh

Bei Hertha BSC wird die Wiedervereinigung verschlafen, erst Mitte der Neunziger Jahre finden Ost und West auf dem Rasen zueinander.

Andreas Schmidt ist 17 als sich vereinigt, was zusammengehört. Schmidt spielt beim SC Siemensstadt im Westteil der Stadt und hält mit seiner Fußballmannschaft kurz nach dem Mauerfall ein Trainingslager in Strausberg ab. Strausberg ist eine protegierte Kleinstadt in südöstlicher Randlage mit Sitz des Ministeriums für Nationale Verteidigung. „Die hatten dort einen Sportkomplex, so etwas gab es bei uns im Westen damals nicht“, sagt Schmidt. „Aber das hatte ja auch nichts mit der DDR-Realität zu tun.“ Michael Hartmann ist zehn Monate jünger als Schmidt, Jahrgang 74, geboren in Hennigsdorf, Havelland.

In der Jugend spielt er bei Stahl Hennigsdorf. Als 20-Jähriger kann er zum FC Hansa Rostock wechseln, landet dann aber bei Hertha BSC, damals ein mittelprächtiger Zweitligist, der von der deutschen Wende viele Jahre lang nicht profitieren soll und im riesigen Olympiastadion oft nur vor ein paar tausend Unentwegten kickt. Schmidt ist da schon fast eine kleine Legende.

Erster Ost-Kontakt ist Sven Kaiser

Ein Jahr zuvor hat er mit den Hertha-Bubis völlig überraschend das deutsche Pokalfinale im Olympiastadion erreicht. Berührungsängste ernster Art zwischen Ossis und Wessis habe es unter den Fußballprofis in der frühen Neunzigerjahren keine gegeben, erzählt Schmidt. Lediglich die üblichen Frotzeleien, Ost-West-Witze, solche Sachen, erzählt Hartmann.

Als Brandenburger ist es wichtiger, dass er in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann, als er plötzlich als Ossi bei dem Westverein Hertha spielt. „Außerdem verläuft im Fußball, wo die handelnden Personen oft wechseln, die Integration weit komplikationsloser als in anderen Bereichen der Gesellschaft“, sagt Schmidt. Schmidts erster persönlicher Ost-Kontakt ist allerdings Sven Kaiser, der bereits zur Spielzeit 1990/91 in die A-Jugend zu Hertha kommt. Kaiser kommt vom 1. FC Union aus Köpenick. „Ein Super-Typ“, wie Schmidt sagt, locker, aufgeschlossen, verlässlich. Kaiser verlässt Hertha recht bald.

Bei den Profis schauen kurz nach dem Mauerfall die beiden ostdeutschen René Unglaube und Axel Kruse vorbei. Unglaubes erstes Spiel für Hertha ist das Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Union am 27. Januar 1990 – vor 50 000 Zuschauern. Im selben Jahr steigt Hertha auf, aber 1991 gleich wieder ab. Unglaube zieht weiter. Axel Kruse hat den Verein zu dieser Zeit schon verlassen. Mit Kruse wird Schmidt erst 1996 in Kontakt kommen, als dieser zu Hertha zurückkehrt. Schmidt selbst spielt bis 2008 für Hertha, Hartmann bis 2004. Schmidt geht studieren, Hartmann wechselt doch noch nach Rostock und wird Trainer.

Es spiele im Alltag keine Rolle mehr

Ein Vierteljahrhundert ist vergangen seit der Wiedervereinigung. Schmidt hat BWL studiert, arbeitet als Finanz- und Anlageberater und sitzt heute im Aufsichtsrat des Vereins, als Stellvertreter des Vorsitzenden Bernd Schiphorst. Hartmann kehrt 2013 zu Hertha zurück und wird im Mai 2015 die U-19-Junioren des Klubs zum deutschen Pokalsieg führen.

Inzwischen betreut er die U 17. Beide kicken heute noch regelmäßig in Herthas Traditionself. Ost- oder Westvergangenheit sei heute gelebte Normalität bei Hertha. „Wenn ich heute in der Geschäftsstelle des Vereins unterwegs bin, weiß ich gar nicht, wer aus Ost und wer aus West kommt“, sagt Schmidt. Es spiele im Alltag keine Rolle mehr. Ärgerlicher ist für Schmidt vielmehr, dass der Hertha damals die Wende und damit die Möglichkeiten, gut ausgebildete Spieler aus dem Ostteil für sich zu gewinnen, nicht genutzt habe. „Das ist komplett verschlafen worden“, sagt Schmidt. „Ich denke, dass die Wende ein Stück zu früh kam für Hertha.“

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