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Krampf im Gehirn. Serena Williams zeigte Nerven und schied bei ihrem 47. Grand-Slam-Turnier erstmals in der ersten Runde aus. Foto: dpa

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Sport: 25 Minuten Ewigkeit

Serena Williams verliert in Paris dramatisch gegen Virginie Razzano.

Als der Rückhandball vor Virginie Razzano an der Grundlinie aufsprang, wusste sie schon, dass es vorbei war. Lauter Jubel brach über den Court Philippe Chatrier herein, aber erst als die Schiedsrichterin den Ball tatsächlich Aus gab, traute sich die Französin, ihre Freude herauszuschreien. Dieser Sieg war eine Befreiung für Razzano. Eigentlich konnte sie nicht mehr laufen, Krämpfe hatten sie während des dreistündigen Marathons geschüttelt, doch sie spürte keine Schmerzen mehr. Im Glücksrausch hüpfte sie humpelnd ans Netz, um Serena Williams die Hand zu geben. „Das war der schönste Sieg meiner Karriere“, sagte die 29-Jährige später.

Es war ein episches Match gewesen – und wohl eines der dramatischsten, das die French Open je erlebten. Noch nie hatte Williams in ihren 46 Grand-Slam-Teilnahmen zuvor in der ersten Runde verloren. Am Dienstagabend im Stade Roland Garros war es passiert, sie unterlag der Nummer 111 der Rangliste mit 6:4, 6:7 und 3:6. Noch erstaunlicher an der Niederlage der 13-maligen Grand-SlamSiegerin war, dass Williams Nerven gezeigt hatte. Die 30-Jährige hat mit ihrer Willensstärke schon so manchen aussichtslosen Rückstand gekippt, doch dieses Mal verschenkte sie eine 5:1-Führung im Tiebreak des zweiten Satzes. Nur zwei Punkte fehlten zum Sieg. „Es gibt keine Entschuldigung dafür“, gab Williams zu Protokoll, „ich habe so viele Fehler gemacht. Das ist sonst nicht meine Art.“

47 Fehler waren es am Ende, nach dem 5:1 im Tiebreak brachte Williams bis zur 5:0-Führung Razzanos im dritten Durchgang kaum noch einen Ball ins Feld und entschied sich oft für die falsche Schlagvariante. „Razzano hatte Krämpfe in den Beinen, Serena welche im Gehirn“, beschrieb der ehemalige Champion Jim Courier den seltsamen Auftritt der haushohen Favoritin. Es wurde eine Partie, die alle Zutaten für ein großes Drama in sich trug. Manche Frauenmatches sind bereits nach einer halben Stunde beendet, an diesem Abend dauerte allein das entscheidende Spiel im dritten Satz 25 Minuten. Williams hatte sich zurückgebissen zum 3:5, Razzano kämpfte mit ihrem Körper und den Nerven. Sie hatte in den letzten Monaten nur wenig gespielt, vor einem Jahr war ihr Ehemann Stephane kurz vor den French Open den Folgen eines Gehirntumors erlegen. Seither versuchte die Französin ins Leben zurückzufinden und auf dem Tennisplatz an die Zeiten anzuknüpfen, als sie zu den besten 20 Spielerinnen zählte.

25 Minuten. Zwölf Mal ging es über Einstand. Fünf Breakbälle wehrte Razzano ab, sieben Matchbälle konnte sie nicht nutzen. Einmal schrie Razzano während eines Ballwechsels vor Schmerz auf und bekam von Asderaki dafür einen Punktabzug. Die Zuschauer waren außer sich. Längst wurden Williams’ Fehler beklatscht, ausgebuht wurde sie auch. Razzano stemmte sich mit letzter Kraft gegen Williams, die in ihrer Verzweiflung bereits den Tränen nahe war. Beide hingen wie angeschlagene Boxer in den Seilen, nur der pure Wille hielt sie aufrecht. „Ich weiß nicht, ob es Fügung war“, sagte Razzano, „ich habe getrauert, sehr lange. Aber jetzt war ich bereit, weiterzumachen. Ich habe alles gegeben, was ich hatte, und ich denke, ich habe wie ein Champion gewonnen.“

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