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Die walisische Mannschaft feiert den Sieg über Belgien.

© AFP / EMMANUEL DUNAND

3:1-Sieg gegen Belgien: Noch nie war Wales so gut wie heute

Früher Rückstand gegen den Favoriten Belgien? Egal! Wales lässt sich davon nicht beeindrucken und feiert den größten Erfolg überhaupt in seiner Fußballgeschichte.

Lille verabschiedete sich am Freitag von der Europameisterschaft, aber was war das für ein Donnerhall bei der finalen Vorstellung! 3:1 (1:1) siegte der Außenseiter Wales im Viertelfinale der Fußball-EM über den Geheimfavoriten Belgien, es war nach dem 2:1 der Isländer über England die bisher größte Überraschung des Turniers. Im Halbfinale spielen sie am kommenden Mittwoch in Lyon gegen Portugal, und nach den jüngsten Eindrücken sind die Portugiesen dabei keinesfalls in der Rolle des Favoriten. Wales muss allerdings auf den überragenden Aaron Ramsey verzichten. Der Spielmacher vom FC Arsenal ist nach der zweiten Gelben Karte automatisch gesperrt.

Das prägende Element in Lille war der Regen. Schon Stunden vor dem Spiel hatte er die Stadt heimgesucht, und anfangs profitierten allein die Belgier vom rutschigen Rasen. Da hatten sie noch ihren Spaß und spielten ihre technische Überlegenheit aus. Das hohe Anfangstempo überforderte die Waliser, und es kam gleich zu einer Dreifach-Chance, wie es sie bei der EM noch nicht so oft zu sehen gab. Romelu Lukaku flankte von links in den Strafraum, wo erst Yannick Carrasco schoss, direkt auf den Waliser Torhüter Wayne Hennessey. Den Abpraller jagte Thomas Meunier zurück Richtung Tor, diesmal rettete Ben Davies kurz vor der Linie, und dann versuchte es auch noch Kapitän Eden Hazard, doch diesmal warf sich Neil Taylor dazwischen.

Wales mühte sich um Entlastung, dreimal auf Kosten taktischer Fouls, sie führten zu Gelben Karten für James Chester, Ben Davies und Chris Gunter. Ansonsten war da nur dieses Hochgeschwindigkeitssolo von Gareth Bale, an dessen Ende der Star von Real Madrid vom linken Strafraumeck schoss, gar nicht schlecht, aber der Ball flog ans Außennetz. Es war ein kurzer Moment des Verschnaufens, aber schon stürmten wieder die Belgier, und sie schossen ein Tor, ein wunderschönes. Hazard chippte den Ball zurück auf Radja Nainggolan, für den sich etwa 28 Meter vor dem Tor keiner interessierte. Also schoss der Mann einfach mal direkt, Hennessey reagierte zu spät, und über seine Fingerspitzen fand der Ball den Weg ins Tor.

Wales und Island haben als einzige Teams in jedem Spiel getroffen

Es entsprach diese Führung durchaus den anfänglichen Kräfteverhältnissen, aber diese relativierten sich jetzt. Belgien ging nicht mehr das höllische Anfangstempo, die Waliser spielten mit. Ein erstes Signal setzte Ramsey mit seinem Pass auf Neil Taylor, der sofort schoss, aber Thibaut Courtois bekam noch die Hände dazwischen. Das Spiel wurde ausgeglichen, erst auf dem Rasen, nach einer halben Stunde auch im Ergebnis. Das 1:1 fiel auf klassisch britische Weise. Wieder war Ramsey der Ausgangspunkt. Sein Eckball segelte auf den Kopf von Ashley Williams, der ihn wuchtig mit der Stirn ins Tor drückte, über den Fuß von Kevin de Bruyne, der am rechten Pfosten sehr schlampig Wacht gehalten hatte.

Belgien reagierte irritiert, zog sich zurück und wartete auf Waliser Fehler, machte aber selbst allerlei. Und Wales stürmte. Bale startete einen neuerlichen Tempolauf, er schoss aus zwanzig Metern, aber Courtois flog rechtzeitig in die rechte Ecke. Dann sauste ein abgefälschter Schuss von Aaron Ramsey knapp vorbei, der folgende Eckball brachte die nächste Kopfballchance für Williams. Auf den Tribünen sangen die walisischen Fans so laut und schön wie sonst nur die Nordiren, und sie hatten allen Grund dazu.

Was in der Anfangsphase noch niemand für möglich gehalten hatte, war Wirklichkeit geworden: Wales hatte das Spiel im Griff. Belgiens Trainer Marc Wilmots brachte Marouane Fellaini für Carrasco und seine Mannschaft arbeitete an einer Wiederherstellung der anfänglichen Hegemonie. Romelu Lukaku köpfte links am Tor vorbei, Hazard schoss rechts vorbei, aber Wales ließ sich nicht mehr erschrecken.

Was nach zehn Minuten der zweiten Halbzeit folgte, war der schönste Angriff des Spiels. Bales Diagonalpass stoppte Ramsey mit schwer zu übertreffender Eleganz und zirkelte den Ball in die Mitte zu Hal Robson-Kanu. Wie der sich anschließend um die eigene Achse drehte und mit einer simplen Körpertäuschung Meunier und Fellaini ins Leere laufen ließ, werden die beiden sich noch öfter vorhalten lassen müssen. Allein vor Courtois traf der Waliser zum 2:1.

Die Belgier mühten sich, litten auch gar nicht so lange unter dem Schock des Rückstandes, aber Fellaini schaffte es immer irgendwie, die schönsten Chancen zu vergeben. Wales benötigte nur noch eine, Sam Vokes nutzte sie kurz vor Schluss zum dritten Tor. Danach durfte Ramsey gehen, die selig singenden Waliser Fans verabschiedeten ihn mit Ovationen, aber er wischte sich traurig mit dem Arm übers Gesicht. Wegen eines überflüssigen Handspiels hatte er die Gelbe Karte gesehen, es war seine zweite im Turnier. Das Halbfinale findet ohne Aaron Ramsey statt.

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