30 Jahre nach Olympia in Sarajevo: Vorsicht, Landminen!
30 Jahre später erinnert in Sarajevo fast nur Trauriges an die orientalisch-fröhlichen Winterspiele von 1984, als Katharina Witt Gold gewann. Die Bobbahn ist zerschossen, die Sprungschanzen verrotten.
Der Besuch des kleinen olympischen Museums in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo ist eine Zeitreise. Die Glasvitrinen sind blind, die Exponate allesamt angestaubt, der Einrichtung sieht man ihre Jahrzehnte an. Museumspädagogen würden sich die Haare raufen. „Krise, Geldmangel, wie überall“, sagt Museumsdirektor Edin Numankadic. Aus dem Grund ist das Museum auch zur Zeit geschlossen. Eigentlich hat Numankadic, Mitglied des bosnischen Nationalen Olympischen Komitees, nur Trauriges zu berichten.
Gleich zu Beginn der fast vierjährigen Belagerung Sarajevos zerschossen die Serben im April 1992 das historische Gebäude des olympischen Museums. „Wie ein Wunder konnten die Exponate gerettet werden“, sagt er, „als der Brand nach drei Tagen aus war, habe ich aus der Asche noch eine Goldmedaille retten können“. Die Ausstellungsstücke wurden in die Keller der olympischen Eishalle „Zetra“ ausgelagert. Aber auch die wurde von serbischen Kräften, die auf den Bergen rings um Sarajevo saßen, unter schweren Beschuss genommen.
„Dabei waren die Olympischen Spiele bis heute das einzig Positive, was man international über diese Region weiß“, sagt Numankadic. Doch später wurden neben der Halle für die vielen Toten der Stadt Gräberfelder angelegt.
Dabei hatten die Menschen mit dem Maskottchen Vucko (Wölflein) durch und durch unkompliziert-fröhliche Spiele gefeiert. Keine Spur von Einschränkungen durch die kommunistischen Behörden. Katarina Witt avancierte mit ihrer Goldmedaille im Eiskunstlaufen zum Star. Genau zwanzig Jahre später eröffnete sie die mit internationalen Spenden wieder aufgebaute „Zetra“-Halle.
Auf den olympischen Bergen Igman und Bjelasnica hatten die Organisatoren Schneedepots angelegt, um die Wettkämpfe problemlos durchzustehen. Besonders punkten konnte Sarajevo bei Athleten und Besuchern durch seine im späteren Krieg untergegangene orientalische Atmosphäre. Mit den vielen Moscheen, dem berühmten Basar und vor allem mit dem von den Osmanen beeinflussten Essen. Dass die Schlitzohrigkeit ein wenig übertrieben wurde und US-Schauspielstar Kirk Douglas eine zehnfach überhöhte Restaurantrechnung zahlen musste, wurde schnell ausgebügelt. Der Mann erhielt sein Geld zurück und das Lokal musste schließen.
Die Multikulti-Stadt mit ihrem Völkergemisch und den unterschiedlichen Lebensstilen, hatte durch die Spiele international viel Sympathien gewonnen. Einer ihrer größten Fans war IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch, der später den Wiederaufbau der olympischen Stätten zu seiner Herzensangelegenheit machte. Doch der Bürgerkrieg hat jeden positiven Nachhall der Winterspiele zunichte gemacht.
Die Bobbahn auf dem Hausberg Trebevic ist zerschossen. Alles ist abmontiert, was nicht niet- und nagelfest war. Besucher müssen sich durch dichten Wald schlagen, der die Betonbahn langsam auffrisst. Vorsicht vor Landminen ist auf den Bergen rings um Sarajevo immer noch geboten. Rechts und links der Zufahrten zu den olympischen Bergen stehen noch kriegszerstörte Häuser. Der Wiederaufbau der Seilbahn auf den Trebevic-Berg steht in den Sternen – trotz angebotener privater Millionenzuschüsse und geschenkter Gondeln aus der Schweiz. Die Sprungschanzen verrotten. Zwar besuchen bis zu 20 000 Skifahrer pro Wochenende die alten Schauplätze der Spiele. Doch Lifte und Gebäude sind in bedauernswertem Zustand. (dpa)