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Sport: 90 MINUTEN MIT Huub Stevens

Wie Herthas Trainer gegen Wolfsburg hinter Glas litt

Huub Stevens und die Kälte im Olympiastadion trennen am Samstagnachmittag nur eine Glasscheibe. Für den Trainer von Hertha BSC ist ein Platz auf der Gegentribüne reserviert, in einer der schicken Ehrenlogen. Es ist 15.25 Uhr, als Stevens (Foto: ddp) die edle Holztür öffnet und den Raum betritt. Kurz lässt sich Herthas Pressesprecher Hans-Georg Felder in der Loge blicken, nach zehn Minuten ist Stevens allein.

Am Spielfeldrand auf der gegenüberliegenden Spielfeldseite sitzt Holger Gehrke, Herthas Kotrainer. Die Hände hat Gehrke tief in den Taschen vergraben, die Winterjacke ist bis zum Kinn zugezogen. Stevens und Gehrke kommunizieren über Funkgeräte, beide tragen Kopfhörer. Um 15.33 Uhr spricht Stevens das erste Mal in sein Mikrofon. Gehrke sitzt mit offenem Mund auf der Bankund hört zu. Dann gibt er die Kommandos weiter.

Dass Herthas Cheftrainer das Spiel gegen den VfL Wolfsburg aus der Loge beobachten muss, war als Strafe gedacht. Stevens hatte sich vor einer Woche beim Auswärtsspiel in München mit dem Schiedsrichter gestritten. Der Deutsche Fußball-Bund verhängte daraufhin gegen Stevens ein Spiel Sperre und eine Geldstrafe von etwa 7500 Euro. Angesichts der Kälte aber ist die Verbannung aus dem Innenraum wohl eher eine Belohnung.

Die Geldstrafe hat Hertha wieder drin. Immer wenn die Fernsehkameras Trainer Stevens hinter der Glasscheibe zeigen, ist ein Transparent von Herthas Sponsor „Arcor“ zu sehen. Auf seinem Laptop prangt ein großer Werbeaufkleber.

Nach 25 Minuten geht Hertha gegen Wolfsburg in Führung. Stevens streckt triumphierend die Arme in die Höhe.

Kurz vor dem Halbzeitpfiff verlässt er die Loge. Zügig läuft er in die Mannschaftskabine, die unterhalb des Marathontors liegt. Er gibt Wolfsburgs Stefan Effenberg die Hand, dann schließt er die Kabinentür. Zehn Minuten später kommt er wieder heraus. Die Spieler gehen nach links zum Spielfeld, Stevens nach rechts, in den Tunnel zur Ehrentribüne. Stevens joggt. Als Bart Goor das zweite Tor erzielt, ist Stevens gerade in seiner Loge angekommen.

Als Hertha die Ordnung verliert, guckt Stevens in seine Notizen, spricht immer öfter mit Gehrke. Wolfsburg erzielt trotzdem das 1:2. Herthas Trainer dreht sich zur Seite und guckt auf einen Fernseher. Dort sieht er das Gegentor in Zeitlupe.

In der Nachspielzeit schafft Wolfsburg den Ausgleich. Stevens faltet seinen Notizzettel und steckt ihn in die Tasche. Dann legt er den Kopfhörer auf den Tisch. Er dreht sich, öffnet die Tür – und schmeißt sie mit voller Wucht zu.

André Görke

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